Export

Hintergrund

Atommüll wird seit Jahrzehnten aus Deutschland exportiert: Abfälle aus der vor- und nachgelagerten Uranbearbeitung, Brennelemente zur Wiederaufarbeitung und die daraus entstehenden Abfälle, Brennelemente aus Forschungs- und Leistungsreaktoren zum Verbleib im Ausland, Abfälle zur Verklappung, Verbrennung und Zwischenlagerung. Erst 2012 wurde die Natriumreste aus dem Versuchs-Schnellen Brüter KNK II in Karlsruhe in England verbrannt. Am 1. April 2014 unterzeichneten die Bundesregierung, das Nordrhein-wetsfälische Wissenschaftsministerium und das US-amerikanische Department of Energy eine Absichtserklärung, die Brennelemente aus den Hochtemperatur-Reaktoren in Jülich und Hamm-Uentrop in die USA zu exportieren, dort aufzubereiten und dauerhaft zu lagern.

Die Richtlinie 2011770/EURTAOM des Rates vom 19.07.2011 sieht die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten vor, Abkommen mit Mitgliedstaaten oder Drittstaaten abzuschließen um radioaktive Abfälle in diese Länder zu exportieren. Im Rahmen des Standortauswahlgesetzes wurde der Abschluss solcher Verträge für den Export aus Deutschland explizit untersagt. Allerdings besteht eine Ausnahme: wenn es sich um Brennelemente aus Forschungsreakotren handelt. Vor diesem Hintergrund wollen die Bundesregierung und die Nordrhein-westfälische Landesregierung jetzt den AVR Jülich zu einem Forschungsreaktor umdefinieren, obwohl er in allen Listen des Bundesamtes für Strahlenschutz und des Bundesumweltministeriums bisher als Leistungsreaktor gelistet war.

Atommüllexport aus Deutschland

von Ursula Schönberger

Die Lagerung des mit deutscher Atomenergienutzung verbundenen Atommülls im eigenen Land ist eine „nationale Verantwortung“, so das Credo der Politikerinnen und Politiker aller Couleur. In das selbe Horn stieß Bundesumweltminister Altmaier bei seiner Rede zum Standortauswahlgesetz am 17. Mai 2013 im Deutschen Bundestag: „Dabei leitet uns ein Grundsatz, der uns alle eint: Die in Deutschland angefallenen Abfälle müssen auch in Deutschland entsorgt werden; das gebietet das Prinzip der nationalen Verantwortung.“ So weit, so gut. Doch was der Minister verschwieg: Längst liegt Müll, der in Zusammenhang mit deutscher Atomindustrie und deutscher Atomforschung angefallen ist, in aller Welt verstreut. Eine umfassende Übersicht wird folgen, bis dahin an dieser Stelle eine stichpunktartige Auflistung:

von Ursula Schönberger

Die Lagerung des mit deutscher Atomenergienutzung verbundenen Atommülls im eigenen Land ist eine „nationale Verantwortung“, so das Credo der Politikerinnen und Politiker aller Couleur. In das selbe Horn stieß Bundesumweltminister Altmaier bei seiner Rede zum Standortauswahlgesetz am 17. Mai 2013 im Deutschen Bundestag: „Dabei leitet uns ein Grundsatz, der uns alle eint: Die in Deutschland angefallenen Abfälle müssen auch in Deutschland entsorgt werden; das gebietet das Prinzip der nationalen Verantwortung.“ So weit, so gut. Doch was der Minister verschwieg: Längst liegt Müll, der in Zusammenhang mit deutscher Atomindustrie und deutscher Atomforschung angefallen ist, in aller Welt verstreut. Eine umfassende Übersicht wird folgen, bis dahin an dieser Stelle eine stichpunktartige Auflistung:

Abfälle, die in Zusammenhang mit der Uranförderung und Uranaufbereitung entstehen

Der Jahresbedarf eines Reaktors mit einer Leistung von 1.300 MWe liegt bei 33 t Brennstoff. Dafür fallen durchschnittlich an: [1]

  • 400.000 t strahlendes Gestein, die bei der Uranerzförderung auf Halden verbleiben
  • 39.600 t radioaktive und chemotoxische Schlämme, die bei der Uranerzaufbereitung als Tailings in Schlammbecken verbleiben
  • 180 t radioaktiver Abfall, die bei der Herstellung von Yellow Cake anfallen
  • 187 t abgereichertes Uran, die bei der Urananreicherung abfallen

Alle Produktionsschritte vor der Urananreicherung finden außerhalb Deutschlands statt. Die 10 wichtigsten Uranförderländer waren 2012 Kasachstan, Kanada, Australien, Niger, Namibia, Russland, Usbekistan, die USA, China und Malawi [2]. Das Natururan (Yellow Cake) für deutsche Atomkraftwerke stammt vor allem von Produzenten aus Frankreich, Großbritannien, Kanada und den USA. [3] Die Förderung von Uranerz, seine Aufarbeitung und Abfallstoffe sind mit dauerhaften Strahlenfolgen, vor allem durch den kontaminierten Staub, die Verseuchung des Grund- und Oberflächenwassers, sowie der Direktstrahlung des radioaktiven Edelgases Radon-222 verbunden. Davon betroffen sind nicht nur Bergarbeiter, sondern alle Menschen, die in den Abbaugebieten leben. Dazu kommt die toxische Wirkung der für die Gewinnung, Laugung und Aufbereitung verwendeten Chemikalien. (Einen Einblick hierzu geben die Datenblätter zur Wismut GmbH in Sachsen und Thüringen)

Abfälle, die bei der Wiederaufarbeitung im Ausland verbleiben

Abgebrannte Brennelemente aus Leistungsreaktoren wurden zur Wiederaufarbeitung nach La Hague (F), Windscale/Sellafield (GB) und Mol (Belgien) gebracht, aus den AKW Greifswald und Rheinsberg in die UdSSR. Brennelemente aus den Forschungsreaktoren wurden, soweit es die DDR betrifft, ebenfalls in die UdSSR gebracht, aus dem Westen nach Dounreay (Schottland), Cadarache (F) und South Carolina (USA).

In der Wiederaufarbeitung werden wenige Prozent des ursprünglichen Atommülls in neuen Brennstäben wieder verwendet. Teile des Atommülls gelangen über die Abluft bzw. die Abwässer in die Biosphäre. Der Rest des radioaktiven Mülls wird entweder nach Deutschland zurück gebracht oder vor Ort gelagert. Die Abfallanlieferer aus Deutschland waren nicht die einzigen Verursacher des Mülls in den Wideraufarbeitungsanlagen im Ausland, sie trugen aber ihren Anteil dazu bei. Im Folgenden einige Beispiele:

  • „Über 90 Prozent der radioaktiven Einleitungen in den Nordostatlantik stammen aus den Wiederaufarbeitungsanlagen La Hague und Sellafield (GB). Beide Atommüllfabriken pumpen jeden Tag zusammen rund zehn Millionen Liter radioaktive Abwässer in den Ärmelkanal und die Irische See.“[4]
  • In Dounreay (Schottland) wurde in den sechziger und siebziger Jahren „Atommüll in einen Schacht an der Küste abgekippt, darunter mehr als 100 Kilogramm waffenfähiges Uran und 2,2 Kilogramm Plutonium. Eine genaue Buchführung über den Inhalt des Schachtes existiert nicht. Im Laufe der Jahre drang Wasser in den Schacht ein. 1977 explodierte das Gemisch (Spiegel, 29. Dezember 1997). Die Unfallfolgen wurden vertuscht. Auch die heutige (1998, Anm. d. Verf.) Praxis der Abfalllagerung in Dounreay ist kaum besser. Hochradioaktive Abfälle werden in ein wassergefülltes Betonsilo gekippt, das selbst von Betreibern und  Aufsichtsbehörden als weit unterhalb moderner Sicherheitsstandards eingestuft wird.“ [5]
  • Das US-Energieministerium verweigerte 1990 die weitere Annahme der abgebrannten Brennelemente aus deutschen Forschungsreaktoren. „Die Aufarbeitungsanlage Savannah River Plant in South Carolina, bis 1988 Empfänger der westdeutschen Brennstäbe, sei derart marode und „umweltgefährdend“ dass die Regierung einen Sanierungsbedarf von „mindestens 100 Mrd. Dollar“ ansetze.“[6] Die Brennelemente wurden in den USA produziert und - wie vertraglich vereinbart - nach ihrem Einsatz wieder zurück geliefert. Eine Überführung des mit der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente verbundenen Abfalls aus den USA gab es nicht. Die Betriebsabfälle blieben vor Ort, das gewonnene Material, z.B. hochangereichertes U-235 wurde in den US-amerikanischen Atomwaffen weiter verwendet.

Abfälle, die ins Meer gekippt wurden - legal und illegal

Bis 1994 konnten radioaktive Abfälle ganz legal in die Meere versenkt werden. Zumindest für Feststoffe wurde dies von der Internationalen Maritimen Organisation 1994 verboten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert versenkten acht europäische Staaten Tausende Fässer mit Atommüll in Atlantik und Ärmelkanal, darunter Deutschland mit einigen hundert Tonnen. „114.726 Tonnen Atommüll schlummern vor dem europäischen Kontinentalsockel, meist in Tiefen von mehr als 4000 Metern. Nach offiziellen Angaben enthalten sie schwach- bis mittelradioaktiven Abfall der Atomindustrie, aus Forschung und Medizin; Kritiker wie der britische Atomphysiker John Large gehen jedoch davon aus, dass zum Teil auch hochradioaktiver Müll beigemischt war.“ [7] Zu den Fässern aus Deutschland stellte die Bundesregierung am 27.12.2008 fest: „Die Fässer waren nicht konzipiert, um einen dauerhaften Einschluss der Radionuklide am Meeresboden zu gewährleisten. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass sie zumindest teilweise nicht mehr intakt sind und Radionuklide freigesetzt wurden.“ [8]

In den 80er und 90er Jahren verklappte die italienische Mafia Atommüll ins Mittelmeer, auch Müll aus Deutschland. "Die Namen einiger in den achtziger und neunziger Jahren mysteriös versunkener und bei den Versicherungen nie auf Schadensersatz reklamierter Schiffe kennt man: Mikigan, Rigel, Marco Polo, Koralina; diese fuhr unter deutscher Flagge. Was sie alle an Bord hatten, dazu gibt es nur – schlimme – Verdachtsmomente. Die nach Behördenangaben „unnatürlich hohen“ Strahlenwerte und Krebshäufigkeiten an dem kalabrischen Küstenstreifen, wo 1990 die „Jolly Rosso“ strandete, zum Beispiel …. Das Gift sei nicht nur aus Italien gekommen, sondern auch aus anderen europäischen Ländern, darunter aus Deutschland, der Schweiz und Frankreich; auch hätten ganz verschiedene Konzerne auf diese Weise ihren Problemmüll beseitigt. So schreibt Fonti in seinem Geständnis an die Staatsanwaltschaft.“ [9]

Abfall, der in die USA zur Verbrennung geliefert wird

„1.000 Tonnen schwachradioaktive Abfälle aus Deutschland dürfen in den nächsten fünf Jahren nach Tennessee verschifft werden. Das Material aus Forschungslabors und Krankenhäusern soll von der Firma EnergySolutions in einem Ofen in Oak Ridge, im Osten des Bundesstaates Tennessee, verbrannt werden. Dadurch wird das Volumen reduziert, die Radioaktivität bleibt erhalten. Die entsprechend stärker strahlende Asche geht anschließend zurück an den Absender.“ [10] Die Radioaktivität, die mit den Rauchgasen in die Umwelt gelangt, verbleibt allerdings vor Ort. Der Atommüll stammt aus dem Zwischenlager Leese (Niedersachsen), den Vertrag mit EnergySolutions hat die Braunschweiger Firma Eckert & Ziegler geschlossen, die Lizenz für die Verbrennung der 1.000 t Atommüll hat die Aufsichtsbehörde Nuclear Regulatory Commission (NRC) 2011 erteilt.

Hochradioaktive Strahler in den USA, die für die ASSE II bestimmt waren

Im November 1984 vereinbarte das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) mit dem US-Deparment of Energy (DOE) in einem Vertrag, dass in den USA 30 hochradioaktive Versuchsquellen für Experimente in der ASSE II hergestellt werden würden. Das radioaktive Inventar besteht aus Caesium-137, Strontium-90, Thorium-232, aber auch Spuren von Plutonium, Uran und Ameritium. Gegen diesen Versuch gab es massive Proteste, sowohl hier, als auch in den USA. Die amerikanischen Transport- und Hafenarbeiter weigerten sich, diese Kokillen zu transportieren. Der Antrag des damaligen ASSE-II-Betreibers, der Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GSF), nach §9 AtG vom 05.03.1991 wurde am 09.02.1992 zurückgezogen.
Die Kosten dieses nicht stattgefundenen internationalen Versuches beliefen sich bis Ende 1995 auf ca. 89,1 Mio. €. Der deutsche Anteil betrug ca. 61,4 Mio. €. Weiter beteiligt waren die Kommission der Europäischen Union (ca. 17,1 Mio. €), das niederländische Stichting Energieondersoek Centrum Niederland (ECN) (ca. 5,65 Mio. €), das US Deparment of Energy (ca. 3,9 Mio. €), die französische Agence Nationale pour la Gestion des Dechets Radioactifs (ANDRA) (ca. 650.000 €) und das spanische Empresa Nacional de Residuos (ENRESA) (ca. 400.000 €). [11] Die Bundesrepublik Deutschland zahlt noch heute Gebühren für die Lagerung der hochaktiven Kokillen in den USA.

Abgereichertes Uran, das nach Russland gebracht wurde

Zwischen 1995 und 2009 wurden ca. 27.300 t abgereichertes Uran als Uranhexafluorid (UF6) aus der Urananreicherungsanlage Gronau nach Russland - nach Angarsk, Tomsk, Novouralsk und Sewersk - gebracht, offiziell deklariert als „Wertstoff“, der in Russland angereichert und als Natururan wieder nach Gronau zurück geliefert würde. Doch seit Jahren ist offensichtlich, dass nur ein Bruchteil tatsächlich aufgearbeitet wird. Der Rest verbleibt entweder als Abfall vor Ort oder findet als Uranmunition sein „Endlager“ in Regionen kriegerischer Auseinandersetzung. „Bei dem „abgereicherten Uran“ handelt es sich um nicht nur radioaktives, sondern auch um hochgiftiges Uranhexafluorid, das bei Kontakt mit Luftfeuchtigkeit zu tödlicher Flusssäure reagiert. In Russland aber rosten die Fässer mit Gronauer Atommüll noch immer unter freiem Himmel vor sich hin.“[12] Die Einfuhr von radioaktivem Müll aus dem Ausland ist in Russland gesetzlich verboten. Nachdem es erhebliche Auseinandersetzungen um die tatsächliche Verwendung des strahlenden Materials aus Gronau gegeben hatte, verlängerte die russische Firma Tenex 2009 ihren Vertrag mit URENCO nicht. Doch eine Lösung für das abgereicherte Uran in Deutschland zu finden, ist nicht leicht. Obwohl es „vernachlässigbar wärmeentwickelnd ist“, entspricht es nicht den Annahmebedingungen für Schacht KONRAD.

Quellen:

[1] Präsentation von Wolfgang Neumann (INTAC Hannover) auf dem Statusseminar Atommüll-/-Endlager, Lüchow 12. / 13. Juli 2008

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Uranbergbau

[3] Deutscher Bundestag: Antwort auf die Kleine Anfrage (Grüne): „Herkunft des Urans in deutschen Atomkraftwerken“, Drucksache 17/6037 vom 01.06.2011

[4] Greenpeace: „Wiederaufarbeitung: Die wichtigsten Fakten“,  abgerufen am 15.8.2013

[5] Deutscher Bundestag: Antwort auf die Kleine Anfrage (Grüne): „Folgen der geplanten Stilllegung des schottischen Nuklearzentrums Dounreay für Lieferungen von Nuklearmaterial aus Deutschland“, Drucksache 13/11356 vom 14.08.1998

[6] „Fatale Erkenntnis – Die westdeutschen Forschungsreaktoren werden ihren Atommüll nicht mehr los“ Der Spiegel 17/1990

[7] „Fässer mit Atommüll verrotten im Ärmelkanal“, Die Welt 23.04.2013

[8] Deutscher Bundestag: Antwort auf die Kleine Anfrage (Grüne): „Endlager Meeresgrund“ Drucksache 17/10548 vom 27.08.2012

[9] „Mafia soll Atommüll ins Meer gekippt haben“, Der Tagesspiegel 22.09.2009,

[10] „Strahlend um die halbe Welt“, taz.de

[11] Deutscher Bundestag: Antwort auf die Kleine Anfrage (SPD): „Atomimporte hochradioaktiver Stoffe aus den USA für Versuchszwecke im Salzbergwerk ASSE II“ Drucksache 11/6365 vom 06.02.1990

[12] „Strahlende Uran-Altlasten“ taz 17.10.2009