Bericht von der Sommerakademie 2017

21 Teilnehmende kamen zur ersten Sommerakademie des Atommüllreports vom 2.-6. August 2017 nach Wolfenbüttel. Vier Tage Information, Diskussion und Exkursion rund um das Thema Atommüll – nicht unanstrengend aber auf jeden Fall informativ. Mit viel neuem Wissen und neuen, spannenden Begegnungen fuhren die Teilnehmenden wieder nach Hause. Die angenehme Atmosphäre in der Bundesakademie in Wolfenbüttel tat das ihre zu einem gelungenen Auftakt einer Veranstaltungsreihe.

Mittwoch, 2. August

Bernward Janzing „Visionen für die Tonne“

Den Auftakt der Sommerakademie machte der freie Journalist Bernward Janzing, Autor des Buches „Visionen für die Tonne“. „Einst hatte man eine Vision, sie hieß Atomkraft. Heute weiß man: sie ist für die Tonne.“

So die Werbung für das Buch und so auch seine Botschaft am Mittwoch Abend. Nach einer Einführung in die „Atom-Euphorie“ der 1950er und 1960er Jahre gab Janzing einen Überblick über vierzig Jahre Anti-Atomkraft-Bewegung. Mit einer spannenden Debatte über die Energiepolitik der Zukunft endete der erste Abend in Wolfenbüttel.

Pressebüro Bernward Janzing   

 

Donnerstag, 3. August

Alex Rosen: „Strahlung und Gesundheit“

In einem großartig strukturierten und leicht verständlichen Vortrag führte der Kinderarzt und Oberarzt der Charité Alex Rosen in das komplexe Thema von Strahlung und Strahlenwirkung ein. Rosen, Vorsitzender der IPPNW Deutschland, erklärte die verschiedenen Strahlenarten, ihre unterschiedliche Wirkung auf den menschlichen Körper, die Berechnung von Strahlendosen und den Unterschied zwischen Hintergrund- und künstlicher Strahlung. Er zeigte, wie Risikoberechnungen funktionieren und gab Hinweise auf internationale Studien zur Wirkungsweise niedriger Strahlendosen.

Alex Rosen: Strahlung und Strahlenwirkung

IPPNW: Gefahren ionisierender Strahlen

Führung durch die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel

Kulturelles Programm am Donnerstag war die Führung durch die berühmte Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel. Im 17. Jahrhundert galt sie als größte nördlich der Alpen. Sowohl Gottfried Wilhelm Leibniz als auch Gotthold Ephraim Lessing wirkten an der Bibliothek in Wolfenbüttel.

Wolfgang Neumann „Deutschlands Atommüll – ein Überblick“

Anfall und Herkunft radioaktiver Abfälle, Abfallarten und ihre Eigenschaften, Mengen und Lagerstandorte waren der Kern des Vortrags von Wolfgang Neumann, Diplom-Physiker und langjähriger Gutachter des Hannoveraner Gutachterbüros INTAC GmbH. Er gab einen Überblick über die verschiedenen Optionen für den langfristigen Umgang mit radioaktiven wärmeentwickelnden Abfälle, von der Langzeitzwischenlagerung über die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen, bis hin zur Transmutation.

Wolfgang Neumann: Was ist Atommüll?

Jürgen Kreusch „Einführung in das Projekt Schacht KONRAD“

Als Vorbereitung auf die Exkursion am Freitag nach Schacht KONRAD gab Jürgen Kreusch, Diplom-Geologe und ebenfalls Gutachter der Fa. INTAC Hannover einen Überblick über das Projekt KONRAD. Er beschrieb die 40jährige Geschichte des alten Eisenerzbergwerks als Atomprojekt, listete auf, dass KONRAD bei weitem nicht alle schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aufnehmen könnte und zeigte, dass KONRAD bereits während des Verfahrens in den 1990er Jahren nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprach.

Jürgen Kreusch: Einführung in das Projekt Schacht KONRAD

Wolfgang Neumann „Einführung in das Projekt ASSE II

Parallel zum Vortrag von Jürgen Kreusch führte Wolfgang Neumann die ASSE II-Exkursionsgruppe in das Projekt ASSE II ein. Geschichte des Atommülllagers, Einlagerungsinventar, Probleme mit Standfestigkeit und Wasserzutritten, sowie die Pläne zur Bergung der radioaktiven Abfälle waren ebenso wie die Notfallplanung Inhalt des Vortrages von Wolfgang Neumann.

Wolfgang Neumann: Einführung in das Projekt ASSE II

Freitag, 4. August
Der Freitag stand ganz im Zeichen der parallelen Exkursionen zur ASSE II und Schacht KONRAD. Es war beeindruckend, die Arbeit unter Tage hautnah vor Ort zu sehen. In ihrer Nachbesprechung stellten die Teilnehmenden einen wichtigen Unterschied zwischen den beiden Exkursionen fest. Während die Mitarbeiter*innen auf der Schachtanlage ASSE II offen über Probleme sprachen (die sie nicht zu verantworten hatten), wurden auf der Schachtanlage KONRAD von den BegleiterInnen jegliche Probleme abgetan. Schließlich handelt es sich bei KONRAD um eine Anlage, die ihren Einlagerungsbetrieb erst noch aufnehmen soll und da sind Probleme hinderlich.

Ehrlich (BGE): Besucherbefahrung ASSE II

Katharina Ebinger "Leben mit dem Gau"

Katharina Ebinger, Teilnehmerin der Sommerakademie und Vorstandsmitglied der BUNDjugend, berichtete von ihren Reisen nach Fukushima und Belarus. Sie zeigte Impressionen aus beiden Ländern und berichtete von der Situation vor Ort sowie den Aktivitäten der Menschen.

Katharina Ebinger: Eine Woche in Japan - Zwei Tage in Fukushima

Artikel über den Vortrag auf ag-schacht-konrad.de

Patrick Schukalla "Uranabbau in Tansania"

Patrick Schukalla, Teilnehmer der Sommerakademie und Promotionsstudent an der FU Berlin berichtete von seinem Forschungsprojekt über den Uranabbau in Tansania.

Link zum Forschungsprojekt

Jürgen Kreusch „Grundlegende Probleme der Endlagerung“

Den Tag zum Thema Endlagerung rundete Jürgen Kreusch mit einem Vortrag zu den grundlegenden Problemen bei der Endlagerung ab. Er erklärte, wie ein tiefengeologisches Endlager in der Theorie funktionieren soll, welche Nachweise geführt werden müssen und wie viele grundsätzliche Fragen immer noch offen sind. Kreusch bewertete die neueren Entwicklungen in Deutschland und sprach sich gegen eine Rückholbarkeit der Abfälle für einen Zeitraum von 500 Jahren aus.

Jürgen Kreusch: Grundlegende Probleme der Endlagerung

Samstag, 5. August

Wolfgang Neumann / Manuel Reichardt „Probleme bei der Zwischenlagerung“

Unabhängig davon, wann mit einer Einlagerung hochradioaktiver Abfälle in ein tiefengeologisches Lager begonnen wird ist eines klar: Die CASTOREN werden noch für viele Jahrzehnte in Zwischenlagern stehen. Wolfgang Neumann gab einen Einblick in die verschiedenen Konzepte für die Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle, die Behälter und auftretende Probleme. Er ging besonders auf die Lager in Brunsbüttel und Jülich ein, die ohne Genehmigung weiter betrieben werden. Schon heute ist klar, dass die Genehmigungen aller Zwischenlager auslaufen werden, bevor der erste hochradioaktive Müll in ein tiefgeologisches Lager eingelagert werden könnte. Neumann mahnte an, sich dieses Problems frühzeitig anzunehmen.

Dipl.- Ing. Manuel Reichardt vom Institut für Massivbau an der TU Braunschweig hat sich im Rahmen des Forschungsprojektes ENTRIA mit den Zwischenlagerkonzepten in anderen Staaten ebenso beschäftigt, wie mit den Voraussetzungen für eine Langzeitzwischenlagerung. Er gab interessante Einblicke in die internationale Situation. Im wahrsten Sinne des Wortes ließ er die Baustoffe für Stahlbeton „greifbar“ werden und erklärte die unterschiedlichen Eigenschaften je nach Mischung der Komponenten. [FAZIT zur Haltbarkeit]

Wolfgang Neumann: Probleme bei der Zwischenlagerung

Manuel Reichardt: Zwischenlagerung - Konzepte, Bautechnische Herausforderungen, Alterung, Extreme Einwirkungen

IBMB/TU Braunschweig: Weltkarte der Zwischenlager

Wolfgang Neumann / Manuel Reichardt „Arbeit von WissenschaftlerInnen und Berufsperspektiven“

Samstag Mittag widmeten sich Manuel Reichardt und Wolfgang Neumann den Berufsperspektiven für WissenschaftlerInnen verschiedener Fachrichtungen im Bereich Atommüll. Reichardt erzählte vom Forschungsverbund ENTRIA, Neumann von der Arbeit in einem selbstverwalteten Betrieb. Beide hatten eine Botschaft: Egal wo und wie man in diesem Bereich arbeitet, man wird noch für viele Jahrzehnte gebraucht.

Reichardt / Neumann: Berufsperspektiven

Peter Dickel „Methodische Probleme von Entscheidungsfindungen am Beispiel des Standortauswahlgesetzes“

Peter Dickel, langjähriger Aktivist und für den BUND Beobachter der Arbeitsgruppe 3 der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfälle gab einen Überblick über die Entwicklung der „Endlager-Bilder“ im Laufe der letzten Jahrzehnte. Er zeigte die widerstreitenden Vorschriften des Standortauswahlgesetzes auf, das beispielsweise die Untersuchung verschiedener Wirtsgesteine nahelegt, gleichzeitig eine Standortentscheidung bis 2031 festschreibt. Gerade weil in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten fast ausschließ für die Lagerung in Salz geforscht wird, erscheint so eine gleichwertige Untersuchung verschiedener Wirtsgesteine unrealistisch.

Filmabend „Reise zum sichersten Ort der Erde“

Den Ausklang des Tages lieferte der Film „Reise zum sichersten Ort der Erde“ von Edgar Hagen

Der in der Schweiz lebende Nuklearphysiker und international renommierte Endlagerexperte Charles McCombie und einige seiner wichtigsten Weggefährten geben dem Regisseur Edgar Hagen Einblick in ihr hartnäckiges Ringen, den dereinst sichersten Ort der Erde zu finden, um das fatale Dilemma zu beheben. Die weltumspannende Suche führt an die unterschiedlichsten Orte – durch dicht besiedelte Gebiete in der Schweiz, zu einer Nomadenfamilie in der chinesischen Wüste Gobi, zu einem heiligen Berg in einem atomverseuchten Indianerreservat, zu Demonstranten im Wald von Gorleben in Deutschland. Der Film wird Zeuge der geheimen Ankunft eines Atommüllfrachters in Japan und beobachtet Freiwillige an einer britischen Atommüllversammlung. An all diesen Orten werden Vernunft, Demokratie und wissenschaftliche Redlichkeit durch Sachzwänge, Strategien und Ängste auf die Probe gestellt.

Sonntag, 6. August

Wolfgang Irrek „Kosten – Finanzierung -Markt – Beschäftigungsperspektiven“

Einem gänzlich anderen, aber nicht weniger wichtigen Aspekt widmete sich Dr. Wolfgang Irrek, Professor für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der Hochschule Ruhr-West. Er gab einen Einblick in die Finanzierung des Rückbaus der Kerntechnischen Anlagen und der Zwischen- und Endlagerung. Sein Fazit: Die Neuregelung der Finanzierung zum 1. Juli 2017 ist ein Ablasshandel, der das Verursacherprinzip verletzt, da die Atomkraftwerksbetreiber mit einer Einmalzahlung aus ihrer Verantwortung für die Finanzierung der zwischen- und Endlagerung entlassen werden. Jegliche weitere Kosten tragen die Steuerzahlenden. Damit diese Regelung nicht mehr revidiert werden kann, haben die Energiekonzerne eigens einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit dem Staat geschlossen.

Wolfgang Irrek: Kosten – Finanzierung- Markt – Beschäftigungsperspektiven“

Wolfgang Irrek: Aufgaben und Material