Forschungsreaktor FRM-II - Atommüll von besonderer Brisanz

von Christina Hacker (Umweltinstitut München)

Die Forschungs-Neutronenquelle FRM II (Forschungsreaktor München II) in Garching bei München ging 2004 in Betrieb. Problematisch ist, dass der FRM II mit hoch angerei­chertem Uran (HEU, Highly Enriched Uranium, Anreicherung 93 Prozent) betrie­ben wird, das für den Bau von Atombomben geeignet ist und missbraucht werden kann (Prolifera­tions­­risiko, Handel und Weiterverbreitung von atomwaffenfähigem Material). Es ist völlig unklar, was mit dem Garchinger Atommüll geschehen soll. Klar ist, dass auch die abgebrannten Brennelemente ein hohes Proliferationsrisiko darstellen und eine Konditionierung bzw. Abreicherung vor einer Endlagerung nötig ist.

von Christina Hacker (Umweltinstitut München)

Die Forschungs-Neutronenquelle FRM II (Forschungsreaktor München II) in Garching bei München ging 2004 in Betrieb. Betreiber ist die Technische Universität Mün­chen bzw. der Freistaat Bayern. Problematisch ist, dass der FRM II mit hoch angerei­chertem Uran (HEU, Highly Enriched Uranium, Anreicherung 93 Prozent) betrie­ben wird, das für den Bau von Atombomben geeignet ist und missbraucht werden kann (Prolifera­tions­­risiko, Handel und Weiterverbreitung von atomwaffenfähigem Material).

Ab einer Anreicherung von mehr als 20 Prozent gilt Uran als hoch angereichert und waffentauglich. Je höher die Anreicherung, desto weniger Material ist für einen Bombenbau nötig. Bei einem Anreicherungsgrad von ca. 90 Prozent werden für einen fortgeschrittenen Sprengkopf als Mindest­menge ca. drei bis sieben Kilogramm (kg) Uran geschätzt. Ein Kompaktkern des FRM-II besteht aus einem einzigen Brennelement mit 8,1 kg zu 93 Prozent angereichertem Uran. Pro Jahr werden derzeit vier Kerne eingesetzt, die Verweildauer eines Kerns im Reaktor beträgt ca. 60 Tage. Aufgrund der relativ kurzen Einsatzdauer haben die abgebrannten Brenn­elemen­te noch eine Anreicherung von etwa 87 Prozent und sind nach wie vor hochangereichert und waffenfähig.

Die Verwendung dieses Brennstoffs widerspricht dem internationalen Programm zur Umstellung von Forschungsreaktoren auf niedrig angereichertes Uran, das auch von Deutschland mit einem eigenen Abreicherungsprogramm (AF-Programm) unterstützt wurde. Das Umstellungs­programm RERTR (Reduced Enrichment for Research and Test Reactors) ist ein US-amerikanisches Entwicklungsprogramm für neue Brennstoffe mit dem Ziel, den Gebrauch von HEU mit Hilfe höherer Uran-Dichten verzichtbar zu machen. Es startete 1978.

Erfolgreiche Umstellungen von hoch angereichertem auf niedrig angereichertes Uran

Die Entwicklung des neuen hochdichten Brennstoffs war ein Erfolg. Weltweit wurden viele Forschungsreaktoren, die bisher mit HEU arbeiteten, auf niedrig angereichertes Uran (LEU, Lowly Enriched Uranium) umgestellt. In Deutschland stellten zwei Forschungsreaktoren ihre Brennstoffversorgung um: FRG I Geesthacht und BER II Berlin. Bei Reaktoren, die in absehbarer Zeit stillgelegt würden, wurde auf eine Umrüstung verzichtet, so z.B. für den FRJ II Jülich, der 2006 abgeschaltet wurde. Nach der Inbetriebnahme des Forschungsreaktors Orphee (Saclay, Frankreich) im Jahr 1980 wurde weltweit kein nennenswerter Forschungsrektor mehr mit HEU in Betrieb genommen. Ausnahmen bildeten China, Libyen, Russland und dann auch Bayern.

Missbrauch des Umrüstungsprogramms

Der Garchinger Sonderweg besteht darin, dass die Reaktorplaner der TU München den speziell für die Verwendung von LEU in Forschungsreaktoren entwickelten Brennstoff hoher Dichte mit Uran hoher Anreicherung kombi­nierten, also zweckentfremdeten. Seit den ersten HEU-Plänen für den Garchinger Reaktor (1988) gab es Bestrebungen, den FRM II abzurüsten. Die USA haben sich seit 1989 bemüht, die TU München zur Umplanung ihres neuen Reaktors auf LEU zu bewegen und Hilfestellung angeboten. Auf nationaler Ebene war man sich 1988 noch einig, dass neue Forschungsreaktoren nur noch mit LEU ausgerüstet werden.

Sobald der neue hochdichte Brennstoff mit niedriger Anreicherung ent­wickelt war und zur Verfügung stand, entschied sich die TU München dafür, diesen Brennstoff mit Uran hoher Anreicherung zu kombinieren, um weltweit an der Spitze zu sein. Unter diesen Umständen waren die USA nicht bereit, HEU für den FRM II bereitzustellen und nahmen dies 1992 mit dem sog. Schumer Amendment in die nationale Gesetzgebung auf. Es besagt, dass HEU nur noch an Reaktorbetreiber geliefert werden darf, die einer Umrüstung auf LEU zugestimmt haben oder wenn eine Umrüstung derzeit nicht möglich ist.

Daraufhin schloss die Bundesregierung 1998 ein Rahmenabkommen mit der Russischen Föderation zur Lieferung von 1200 kg HEU für den FRM II. Die Rückführung der verbrauchten Brennelemente ist in dem Vertrag nur vage beschrieben:

Der abgebrannte nukleare Brennstoff kann sowohl in der Russischen Föderation als auch ... in der BRD sowie bei gegenseitigem Einvernehmen ... in einem Drittstaat wiederaufgearbeitet werden. Wird eine Wiederaufarbeitung (WAA) ... in der Russischen Föderation vereinbart, schließen beide Vertragsparteien ein gesondertes Abkommen, in dem die Modalitäten der WAA festgelegt werden. [Auszug aus dem Abkommen zwischen der BRD und der Russischen Föderation, 1998]

Dieser Vertrag wurde 2008 gekündigt. Ob es einen neuen Vertrag gibt, ist nicht bekannt.

Genehmigung mit Bedingungen

Die Bundesregierung setzte unter Feder­führung des damaligen BMBF 1999 eine Expertenkommission ein, die eine Umrüstung von HEU auf LEU prüfen sollte. Sie kam zu dem Ergebnis, dass eine Umrüstung auf eine Anreicherung unter 20 Prozent noch vor Inbetriebnahme technisch möglich, proliferationspolitisch sinnvoll und für die wissenschaftliche Nutzung nicht ernstlich nachteilig wäre.

Doch die TU München beharrte weiterhin auf dem HEU-Konzept. Schließlich wurde der Bau unter Auflagen genehmigt: Der Reaktor darf wie geplant in Betrieb gehen, aber bis Ende 2010 soll eine Umrüstung auf eine mittlere Anreicherung (< 50 Prozent) erfolgen. Diese Frist wurde nicht eingehalten, sie wurde bis Ende 2018 verlängert. Auch dieser Termin ist verstrichen.

Die TU München führt an, dass sich bei der internationalen technisch-wissenschaft­lichen Entwicklung von neuen Brennstoffen für die Umrüstung des FRM-II immer wieder „unerwartete“ Verzögerungen eingestellt haben.

Problematischer Atommüll

Die abgebrannten Brennelemente lagern in Garching in einem Nasslager, das für zehn Betriebsjahre ausgelegt ist. Ein Zwischenlager am Standort Garching war nie geplant. Als Entsorgungsnachweis galt die Verbringung der abgebrannten Brennelemente in das Zwischenlager Ahaus. Geplant sind 17 Trans­porte mit je fünf Brennelementen von jeweils acht Kilogramm. Bis heute liegen weder eine Einlagerungsgenehmigung für Ahaus, noch eine Genehmigung für die neu entwickelten Transportbehälter MTR3 vor.

Die gebrauchten Brennelemente des FRM II, die noch immer waffenfähig sind, sollen über hunderte von Kilometern von München bis nach Ahaus in Nordrhein-Westfalen transportiert werden und über Jahrzehnte in einem relativ ungeschützten Zwischen­lager lagern. Zum Vergleich: Die Kernbrennstoffe aus dem Schnellen Brüter in Kalkar und aus dem KNK (Kompakte Natriumgekühlte Kernreaktoranlage) des Forschungszentrums Karlsruhe lagerten aus Sicherheits­gründen im sog. „Plutonium-Bunker“ in Hanau.

Die Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) hat 2001 im Zusammenhang mit dem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren in der 3.Teilerrichtungsgenehmigung, TEG) des Forschungsreaktors FRM II folgendes beschlossen:

Um die Unterkritikalität bei der Einlagerung von FRM II-Brennelementen langfristig einzuhalten, wird eine Konditionierung durch Zumischung von abgereichertem Uran zur Verminderung der Restanreicherung für unumgänglich gehalten. Vom Forschungs­­zentrum Karlsruhe wurde beispielhaft ein Denkansatz für eine mögliche Konditionierung vorgestellt. Diese Konditionierung sei in einer Heißen Zelle durch­führbar. Ein optimiertes Verfahren zur endlagergerechten Konditionierung könne nach Inbetriebnahme des FRM II und parallel zu den Fortschritten bei der Realisierung der Endlagerung näher entwickelt werden. [Auszug aus der Empfehlung der RSK, Pkt. 2,3, S. 84]

Melt & Dilute Verfahren

Für die Konditionierung von HEU-Brennelementen aus Forschungsreaktoren wurde bereits in den 1990er Jahren in den USA ein so genanntes Melt & Dilute-Verfahren entwickelt. Entsprechendes Know-How gibt es auch im radiochemischen Institut (RCM) der TU München nahe des Forschungsreaktors FRM II. Das Institut hat in einem FuE-Vorhaben ein Konditionierungsverfahren für SUR-Kerne (Siemens Unterrichtsreaktoren) der Siemens Schulungsreaktoren entwickelt. Sämtliche Brennelemente der abgeschalteten SUR-Reaktoren und des AKR-Reaktors (Ausbildungskernreaktor) der TU Dresden wurden ab 2008 aufgearbeitet und heruntergemischt.

Konditionierung nicht geplant

Seitens der Betreiber gibt es offenbar keinerlei Pläne, den hochangereicherten Atommüll zu konditionieren. Dies ist aber für eine Endlagerung zwingend erforderlich. In der 3. TEG vom 2.5.2003 ist dies verankert:

Im Rahmen der ... jährlich zu erbringenden Nachweise sind ... realistische Planungen zur Entwicklung und Realisierung eines Verfahrens zur endlagergerechten Konditionierung der abgebrannten Brennelemente ... darzulegen. Die Planung ist jeweils entsprechend so zu konkretisieren, dass gewährleistet ist, dass das Verfahren einschließlich Einrichtungen zur endlagergerechten Konditionierung ... technisch und praktisch zur Verfügung steht. [Auszug aus der 3. TEG, S. 25]

Eine solche Konditionierungs-Möglichkeit gibt es in Deutschland nicht. Bislang war es üblich, dass die USA in der westlichen Welt HEU-Brennstoff für Forschungsreaktoren lieferten und die abgebrannten Brennelemente dann aus Gründen der Nichtweiterverbreitung wieder zurückgenommen haben. Doch dies trifft beim FRM-II nicht zu.

Wo die gebrauchten Brennelemente ggf. in Russland konditioniert und gelagert werden könnten, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass die Lagerung von deutschem Atommüll in Russland schon einmal untersagt wurde, aufgrund der prekären Sicherheitsverhältnisse vor Ort.

Fazit

Es ist völlig unklar, was mit dem Garchinger Atommüll geschehen soll. Klar ist, dass auch die abgebrannten Brennelemente ein hohes Proliferationsrisiko darstellen und eine Konditionierung bzw. Abreicherung vor einer Endlagerung nötig ist. Das Umweltinstitut München fordert deshalb dringend die Prüfung der Errichtung eines für hoch angereichertes Material entsprechend gesicherten Zwischenlagers am Standort Garching zur trockenen Lagerung der Reaktorkerne sowie die Entwicklung eines Verfahrens zur Konditionierung und Abreicherung gemäß Empfehlung der RSK.

Einen Export dieses brisanten Mülls lehnen wir ab. Gerade wegen des deutschen Sonderwegs und Ausscheiden aus internationalen Vereinbarungen sehen wir es als geboten, dass der hoch brisante Atommüll in nationaler Verantwortung bleiben muss.