Haftung und Deckungsvorsorge

Die Haftung eines Inhabers einer Atomanlage für Schäden aus nuklearen Ereignissen (Störfälle, Unfälle) ist nach dem Pariser Übereinkommen eine strikte Gefährdungshaftung, unabhängig von Verschulden und ohne die Möglichkeit einer Entlastung. Sie erstreckt sich auch auf den Umgang mit radioaktiven Abfällen, allerdings nur bis zur Übergabe der Abfälle in staatliche Verantwortung. Und sie endet nicht mit Beendigung des Leistungsbetriebs eines Atomkraftwerks. Auch wenn die Haftung laut Atomgesetz rechtlich prinzipiell unbegrenzt ist, müssen Atomkraftwerksbetreiber für Schäden über die atomrechtliche Deckungsvorsorge von 2,5 Mrd. Euro hinaus nicht zahlen. Angesichts möglicher Schäden durch auslegungsüberschreitende Atomunfälle in Höhe von mehreren Billionen Euro stellt diese Haftungsbegrenzung die größte wirtschaftliche Begünstigung von Atomkraftwerksbetreibern gegenüber ihren Wettbewerbern dar.

Haftung und Deckungsvorsorge

Die Haftung eines Inhabers einer Atomanlage für Schäden aus nuklearen Ereignissen (Störfälle, Unfälle) ist nach dem Pariser Übereinkommen eine strikte Gefährdungshaftung, unabhängig von Verschulden und ohne die Möglichkeit einer Entlastung. Sie erstreckt sich auch auf den Umgang mit radioaktiven Abfällen bis zur Übergabe der Abfälle in staatliche Verantwortung nach Maßgabe des Entsorgungsübergangsgesetzes und des diesen konkretisierenden öffentlich-rechtlichen Vertrages. Diese Haftung besteht auch besteht auch nach Beendigung des Leistungsbetriebs aller Kernkraftwerke mit Ablauf des 15.04.2023 fort. Aufgrund von verpflichtend abzuschließenden Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen steht im nuklearen Schadensfall als Haftungsmasse zusätzlich zum Vermögen einer Betreibergesellschaft das Betriebsvermögen der jeweiligen Muttergesellschaft zur Verfügung..

Seit dem 1. August 1985 ist die Höhe der Haftung laut Atomgesetz rechtlich prinzipiell unbegrenzt. Faktisch ergibt sich jedoch für Atomkraftwerksbetreiber eine Begrenzung der Haftung, und zwar seit April 2002 auf 2,5 Milliarden Euro (bis dahin waren es 500 Mio. DM). Der Betreiber muss als Inhaber einer Atomanlage im Rahmen der sogenannten Deckungsvorsorge der jeweiligen Länderbehörde nachweisen, dass er Schadensersatzverpflichtungen bis zu dieser Höhe erfüllen kann.

Von darüber hinaus gehenden Schadensersatzverpflichtungen stellt ihn der Staat frei. Angesichts möglicher Schäden durch auslegungsüberschreitende Atomunfälle in Höhe von mehreren Billionen Euro stellt die Begrenzung der Haftung auf 2,5 Mrd. Euro die größte wirtschaftliche Begünstigung von Atomkraftwerksbetreibern gegenüber anderen Kraftwerksbetreibern dar. Müssten die Betreiber sich für Schäden in Billionenhöhe versichern, würden sie zum einen kein Versicherungskonsortium finden, das dies ermöglichen könnte. Zum anderen wären die Versicherungsprämien so hoch, dass der Weiterbetrieb unwirtschaftlich wäre.

International gibt es deutliche Unterschiede in der Regelung der Haftungs- und Versicherungsfrage auf Basis des Pariser Übereinkommens. Die Abdeckung möglicher Schäden bis zur gesetzlich geforderten Höhe von 2,5 Mrd. Euro erfolgt in Deutschland in zwei Tranchen: zum einen durch die Deutsche Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft (DKVG) und zum anderen durch einen Solidarvertrag der Obergesellschaften der Atomkraftwerksbetreiber.

DKVG

Die Deutsche Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft (DKVG), ein Nuklearversicherungspool des deutschen Versicherungsmarktes, erbringt eine Haftpflicht-Deckungsvorsorge in Höhe der bis April 2002 gesetzlich geltenden Deckungsvorsorge von 255,65 Mio. Euro (= 500 Mio. DM) für jeden Kernkraftwerksblock. Eine Ausnahme stellen die Kernkraftwerksblöcke in Gundremmingen dar. Hier gilt die Summe von 255,65 Mio. Euro für beide Blöcke zusammen. Der Versicherungsschutz erstreckt sich im Übrigen auch auf Risiken aufgrund großer Terrorereignisse, was nach dem 11. September 2001 entsprechend zu einer Erhöhung der Versicherungsprämien geführt hat. Die Prämien bewegen sich nach Aussage der DKVG von 2013 im Bereich von Hundertstel Cent je kWh und werden nach eigenen Risikoeinschätzungen der DKVG, der Rückversicherer, vorhandenen Erfahrungen und zur Verfügung stehenden Gutachten für die einzelnen Kernkraftwerke differenziert festgelegt.

Solidarvertrag der Atomkraftwerksbetreiber

Zur Ergänzung der Deckungsvorsorge bis zur gesetzlichen Höhe von 2,5 Mrd. EUR haben die Obergesellschaften der Kernkraftwerksbetreiber im Zuge des so genannten Atomkonsenses politisch durchgesetzt, die Differenz nicht durch eine Versicherung oder eine sonstige finanzielle Sicherheit eines Dritten abdecken zu müssen. Stattdessen wurde ein Solidarvertrag der Obergesellschaften der Kernkraftwerksbetreiber mit gegenseitigen Garantiezusagen bis zu einer Haftpflicht-Deckungsvorsorge in Höhe von 2.244,355 Mio. Euro zuzüglich 112,218 Mio. Euro (5%) Schadensabwicklungskosten geschlossen.

Die Solidarvereinbarung deckt jeden Schadensfall ab. Damit sie als finanzielle Sicherheit Anerkennung findet und bei einem Störfall bzw. Unfall die Gelder für einen weiteren Fall nicht blockiert sind, ist es entsprechend dem Wortlaut des Solidarvertrages erforderlich, dass die Partner jährlich im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Jahresabschluss das Testat eines Wirtschaftsprüfers vorlegen, aus dem hervorgeht, dass die innerhalb eines Jahres realisierbaren liquiden Mittel zum Stichtag des jeweiligen Jahresabschlusses dem zweifachen Betrag der Garantiezusagen entsprechen. Dies bedeutet, dass durch den Solidarvertrag insgesamt 4.488,71 Mio. EUR für Schadensfälle bei Atomkraftwerken in Deutschland zur Verfügung stehen. Mit Wirkung ab dem 01.01.2022 wurde die Solidarvereinbarung bis zu dem Zeitpunkt verlängert, in dem das letzte Kernkraftwerk aus der behördlichen Verpflichtung zur Erbringung einer Deckungsvorsorge in Höhe von 2,5 Milliarden Euro entlassen wird, spätestens jedoch mit Ablauf des 31.12.2029.

Links

Gassner / Dr. Buchholz: Gutachten_Atomhaftung in Europa und Deutschland - Defizite und Empfehlung zur Fortentwicklung, 14.03.2013

Dr. Kerschner / Dr. Leidenmühler: Haftungsbeschraenkung bei Atomkraftwerken bzw. staatliche AKW-Förderung in der EU und mögliche Rechtsschritte wegen unzulässiger Beihilfe, Dezember 2012