Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber

Die Finanzierungsvorsorge für den Rückbau der Atomkraftwerke wird durch Rückstellungen der Betreibergesellschaften getroffen. Ende des Jahres 2021 betrugen die Stilllegungs- und Rückbaurückstellungen für die kommerziellen Atomkraftwerke in Deutschland insgesamt etwa 20,2 Mrd. Euro. Diese Mittel haben Verbraucherinnen und Verbraucher letztlich über den Strompreis bezahlt. Sie liegen aber nicht in einer Kasse, auf die jederzeit zugegriffen werden kann. Inwieweit den Rückstellungen Gegenwerte gegenüberstehen, die ausreichen, um am Ende sämtliche Rückbaukosten zu bezahlen, hängt – staatlich nahezu unkontrolliert – allein von der Anlagepolitik der Unternehmen ab.

Finanzielle Vorsorge für den Rückbau: Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber

Die Finanzierungsvorsorge für Stilllegung und Rückbau der Atomkraftwerke bis hin zur Verpackung der radioaktiven Abfälle zur Ablieferung bei Anlagen zur Endlagerung oder Zwischenlagern, die von einem vom Bund beauftragten Dritten betrieben werden, wird durch Rückstellungen der Betreibergesellschaften getroffen.

Generell sind Rückstellungen von Wirtschaftsunternehmen gemäß §249 Abs. 1 HGB u. a. für ungewisse, aber schon hinreichend konkretisierbare Verbindlichkeiten zu bilden, d. h. für eingegangene Verpflichtungen, bei denen klar ist, dass sie zu erfüllen sind, bei denen aber die genaue Höhe und der genaue Fälligkeitstermin noch nicht feststehen. Damit unterscheiden sie sich von Verbindlichkeiten. Es werden die zu erwartenden Kosten der eingegangenen Verpflichtungen in heutigen Preisen geschätzt, mit zu erwartenden Preissteigerungen auf das Jahr hochgerechnet, in dem ihre Erfüllung voraussichtlich beginnt, und anschließend auf den Gegenwartswert abgezinst. Um den Aufwand für die nach Abschaltung eines Atomkraftwerks zu erfüllenden Stilllegungs- und Rückbauverpflichtungen auch tragen zu können, wurden die Stilllegungs- und Rückbaurückstellungen während des Kraftwerksbetriebs über einen Ansammlungszeitraum von 25 Jahren (bis 1999: 19 Jahren) gleichmäßig angesammelt.

Nach Angaben der Bundesregierung betrugen, die gemäß Transparenzgesetz ermittelten, handelsrechtlichen Stilllegungs- und Rückbaurückstellungen für die kommerziellen Atomkraftwerke in Deutschland zum Jahresende 2021 insgesamt ca. 20,2 Mrd. Euro. Davon wurden 8,0 Mrd. Euro für den Nach- und Restbetrieb, 5,5 Mrd. Euro für den Abbau sowie 6,7 Mrd. Euro für die Reststoffbearbeitung und Verpackung der radioaktiven Abfälle gebildet. Die Energieunternehmen planen im Jahr 2022 mit Ausgaben für Rückbauverpflichtungen in Höhe von ca. 2,0 Mrd. Euro und etwa 2,1 Mrd. Euro pro Jahr in den Folgejahren, wenn dann alle Atomkraftwerke stillgelegt sind. Ab dem Jahr 2033 wird mit jährlichen Ausgaben unter 1,0 Mrd. Euro gerechnet.

In den Geschäftsberichten, im Bericht der Bundesregierung nach §7 des Transparenzgesetzes und in den gesondert veröffentlichten Berichten der Betreiber gemäß §4 Transparenzgesetz finden sich weder Kostenschätzungen noch Rückstellungssummen für jeden einzelnen Kraftwerksblock und auch keine detaillierte Darstellung der Vermögenswerte der Betreiber. Ausgewiesen werden nur aggregierte Angaben je Betreibergesellschaft, obwohl die Betreiber nach §5 der Rückbaurückstellungs-Transparenzverordnung verpflichtet sind, Kosten- und Rückstellungsdaten anlagenscharf zu liefern und ihre Vermögens- und Liquiditätssituation für mehrere Jahre detailliert darzustellen. Die Transparenz für die Öffentlichkeit ist daher nur eingeschränkt vorhanden.

Zuführungen zu den Rückstellungen stellen Aufwand dar, der in der Regel von den Energieunternehmen in die Strompreise einkalkuliert wird. Damit sind die Milliardensummen letztlich von Verbraucherinnen und Verbrauchern über den Strompreis bezahlt worden. Diese Mittel liegen aber nicht in einer Kasse, auf die jederzeit zugegriffen werden kann. Inwieweit den Rückstellungen Gegenwerte gegenüberstehen, die ausreichen, um am Ende sämtliche Rückbaukosten zu bezahlen, hängt allein von der Anlagepolitik der Unternehmen ab. Laut Bericht der Bundesregierung nach §7 des Transparenzgesetzes hat eine Liquiditätsprüfung ergeben, dass für die nächsten drei Jahre keinerlei Anhaltspunkte bestehen würden, dass die Betreiber ihren Verpflichtungen nicht nachkommen könnten. Es gibt jedoch keine Pflicht, die Mittel insolvenzfest anzulegen. Allerdings ist es seit dem Nachhaftungsgesetz von 2017 möglich, bei einer Insolvenz des Betreibers auf die jeweils herrschende Muttergesellschaft zurückzugreifen, sofern diese nicht gleichzeitig insolvent wird. Insgesamt ist die Finanzierungssicherheit für Stilllegung und Rückbau der Atomkraftwerke aber nur bedingt gegeben.

In anderen Bereichen (weniger) risikorelevanter Tätigkeiten sind spezielle Sicherungsvorschriften zur Gewährleistung der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten dagegen selbstverständlich (z.B. §12 Abs. 1 BImSchG oder §18 DeponieV).

Links

Deutscher Bundestag: Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht nach §7 des Transparenzgesetzes – Rückbau von Kernkraftwerken, Drucksache 20/4558, 22.11.2022

Irrek, Wolfgang (2022): Finanzielle Vorsorge für Spätlasten, in: Lechtenböhmer, Stefan; et al.: Bewegende Energie, Die Energiewende als Treiber der Großen Transformation im Rück- und Ausblick, Festschrift zum 80. Geburtstag von Peter Hennicke, München: oekom, 131-148

RAin Dr. Ziehm: Aktuelle Fragen der Finanzierung des Atomausstiegs, 20.04.2018

Dr. Däuper/ Dr. Fouquet / Dr. Irrek: Gutachten Finanzielle Vorsorge im Kernenergiebereich - Etwaige Risiken des Status quo und mögliche Reformoptionen, 10.12.2014

Warth&Klein Grant Thornton: Gutachtliche Stellungnahme zur Bewertung der Rückstellungen, 09.10.2015

Dr. Wolfgang Irrek: Volkswirtschaftliche Vorteile und höhere Finanzierungssicherheit durch einen Stilllegungs- und Entsorgungsfonds, Wuppertal Papier Nr. 53 (März 1996)

Irrek, Wolfgang: Financing Nuclear Decommissioning, in: Haas, Reinhard; Mez, Lutz; Ajanovic, Amela (Hrsg.): The Technological and Economic Future of Nuclear Power, Wiesbaden: Springer VS, 2019, 139-166