Standortauswahlverfahren für hochradioaktive Abfälle

Seit 2017 läuft die Suche nach einem Standort in Deutschland für die tiefengeologische Lagerung hochradioaktiver Abfälle. Vorausgegangen waren 40 Jahre heftige gesellschaftliche Auseinandersetzung über die Pläne, diese radioaktiven Abfälle im Salzstock Gorleben einlagern zu wollen. Mit dem Standortauswahlverfahren soll nun eine vergleichende Standortsuche durchgeführt werden. Bislang ist der Standort Gorleben aber immer noch eine Option im Verfahren. Der Artikel gibt einen Überblick über den Zweck des Standortauswahlgesetzes, die Phasen der Standortsuche, die Kriterien für die Standortauswahl und die vorgesehenen Beteiligungsinstrumente.

Zweck des Standortauswahlverfahrens

2013 wurde das Standortauswahlgesetz im Deutschen Bundestag verabschiedet. Damals als „Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle“. Das Gesetz wurde seitdem bereits mehrmals novelliert und in „Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle“ umbenannt. In der heute gültigen Fassung vom 12.12.2019 wird der Zweck des Standortauswahlverfahrens wie folgt definiert: [1]

„Mit dem Standortauswahlverfahren soll in einem partizipativen, wissenschaftsbasierten, transparenten, selbst-hinterfragenden und lernenden Verfahren für die im Inland verursachten hochradioaktiven Abfälle ein Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für eine Anlage zur Endlagerung […] in der Bundesrepublik Deutschland ermittelt werden.“ [StandAG § 1, Absatz 2, Satz 1]

Wirtsgestein: Als mögliche Wirtsgesteine werden Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein untersucht. [StandAG § 1, Absatz 2, Satz 3]

Bestmögliche Sicherheit: „Der Standort mit der bestmöglichen Sicherheit ist der Standort, der im Zuge eines vergleichenden Verfahrens aus den in der jeweiligen Phase nach den hierfür maßgeblichen Anforderungen dieses Gesetzes geeigneten Standorten bestimmt wird und die bestmögliche Sicherheit für den dauerhaften Schutz von Mensch und Umwelt vor ionisierender Strahlung und sonstigen schädlichen Wirkungen dieser Abfälle für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewährleistet.“ [StandAG § 1, Absatz 2, Satz 2]

Im Klartext heißt dies, es geht nicht um den bestmöglichen Standort in Deutschland, sondern um den Standort, der unter den untersuchten Standorten als der bestmögliche bewertet wird.

Zeitplan: „Die Festlegung des Standortes wird für das Jahr 2031 angestrebt.“ [StandAG § 1, Absatz 2, Satz 5] Offizielles Ziel ist, das tiefengeologische Lager für hoch radioaktive Abfälle 2050 in Betrieb zu nehmen. Diese Zeitplanung wird von Experten verschiedener Seiten angezweifelt. Wie lange dann die Einlagerung der radioaktiven Abfälle dauern wird, ist vom Einlagerungskonzept abhängig, auf jeden Fall mindestens 20–30 Jahre.

Tiefe geologische Lagerung mit Rückholbarkeit bzw. Bergbarkeit: „An dem auszuwählenden Standort soll die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen in einem für diese Zwecke errichteten Endlagerbergwerk mit dem Ziel des endgültigen Verschlusses erfolgen. Die Möglichkeit einer Rückholbarkeit für die Dauer der Betriebsphase des Endlagers und die Möglichkeit einer Bergung für 500 Jahre nach dem geplanten Verschluss des Endlagers sind vorzusehen.“ [StandAG § 1, Absatz 4]

Im Klartext heißt dies, während des ca. 30 Jahre dauernden Einlagerungsbetriebes muss es möglich sein, eingelagerte Abfälle zurück zu holen. Der Referentenentwurf für die Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle vom Juli 2019 [2] definiert die Rückholbarkeit wie folgt [SiAnf., Artikel 1, § 13]:

  • Der erforderliche technische und zeitliche Aufwand einer Rückholung soll den für die Einlagerung nicht erheblich überschreiten.
  • Die technischen Einrichtungen für eine Rückholung müssen während des Betriebszeitraumes vorgehalten werden.

[Die Sicherheitsanforderungen und kritischen Stellungnahmen zum Referentenentwurf finden Sie hier.]

Nach der Einlagerungszeit wird das Lager endgültig verschlossen, möglichst alle Hohlräume verfüllt und die Anlagen abgebaut. Sollte es in den folgenden 500 Jahren einen Anlass geben, die radioaktiven Abfälle wieder zurückholen zu wollen, muss ein neuer Schacht abgeteuft werden, ganz wie bei dem havarierten Endlager ASSE II. Anders als bei der ASSE II muss jedoch vorgesorgt werden, dass die Behälter über 500 Jahre intakt bleiben und individuell auffindbar sind. [SiAnf., Artikel 1, § 14] Außerdem muss bei der Standortauswahl berücksichtigt werden, dass räumlich und geologisch die Möglichkeit für einen Bergungsschacht vorhanden ist.

Alle Maßnahmen zur Rückholbarkeit und zur Bergbarkeit stehen unter dem Vorbehalt, dass die Langzeitsicherheit dadurch nicht erheblich und unnötig beeinträchtigt werden darf.

Völlig unverständlich ist, dass die Rückholbarkeit, bzw. Bergbarkeit explizit nur für die hochradioaktiven Abfälle gelten soll, nicht aber für die im selben Bergwerk oder am selben Standort eingelagerten mittel- oder schwachradioaktiven Abfälle. [SiAnf., Artikel 1, § 21, Absatz 3] Denn es könnten genauso gut diese Abfälle sein, die die Sicherheitsprobleme im künftigen Endlager verursachen.

Art und Menge der einzulagernden Abfälle

Gesucht werden soll ein Lager für die hochradioaktiven Abfälle, die im Zusammenhang mit der Atomenergienutzung und der Atomforschung in der Bundesrepublik Deutschland angefallen sind. Dabei handelt es sich um ca. 10.110 t SM (Erläuterung s.u. [3]) an bestrahlten Brennelementen aus Atomkraftwerken, Forschungs- und Versuchsreaktoren, sowie um ca. 3.735 t SM an verglasten hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in Frankreich, Großbritannien und in der WAK Karlsruhe. [4]

Irritierend ist, dass der Gesetzgeber 2017 davon abgerückt ist, die wärmeentwickelnden mittelradioaktiven Abfälle auf jeden Fall am selben Standort lagern zu wollen. Für diese Abfälle gibt es keinen anderen Lagerort, das geplante Atommülllager Schacht KONRAD ist für wärmeentwickelnde Abfälle nicht genehmigt. Es müsste also ein weiterer Standort gesucht werden. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Bundesregierung – wie im Nationalen Entsorgungsprogramm [5] beschrieben – alle Wärme entwickelnden Abfälle am selben Standort einlagern will. Dann sollte sie das aber auch im Gesetz so klarstellen und dieselben Sicherheitsanforderungen für diese Abfälle gelten lassen. Konkret handelt es sich dabei vor allem um sowie 4.244 t SM mittelradioaktiven, wärmeentwickelnden Abfälle aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich und Großbritannien.

Das spätere Einlagerungsvolumen und die benötigte Mächtigkeit des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs kann erst dann ermittelt werden, wenn entschieden ist, welches Wirtsgestein und welche Einlagerungstechnik gewählt wird.

Darüber hinaus ist „die Endlagerung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle am auszuwählenden Standort […] zulässig, wenn die gleiche bestmögliche Sicherheit des Standortes wie bei der alleinigen Endlagerung hochradioaktiver Abfälle gewährleistet ist. [StandAG § 1, Absatz 6] Das heißt, die Bundesregierung hält es sich offen, am selben Standort auch schwach- und mittelradioaktive Abfälle mit geringer Wärmeentwicklung einzulagern – in geringen Mengen im selben Bergwerk, in größeren Mengen in einem zweiten Bergwerk am selben Standort. [SiAnf. Art. 1, § 21]

Die verschiedenen Phasen der Standortauswahl

Phase 1 - Auswahl von Standortregionen

Die Phase 1 ist in zwei Unterphasen eingeteilt, Phase 1a Auswahl von Teilgebieten, Phase 1b Verengung auf Standortregionen. In der Phase 1a werden die vorhandenen geologischen Daten über die Bundesrepublik Deutschland ausgewertet und sogenannte „günstige Teilgebiete“ ermittelt. Dazu übermitteln die Landesämter für Geologie ihre Daten an die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die diese auswerten soll.

Bereits in dieser allerersten Phase tauchen erhebliche Schwierigkeiten auf:

  • Die geologischen Daten sind in sehr unterschiedlicher Qualität und Dichte vorhanden.
  • Sollte es zu einem Gebiet keine geologischen Daten geben so werden diese nicht nacherhoben, sondern das Gebiet aus der Standortsuche ausgeschlossen. Somit kann es sein, dass der objektiv bestmögliche Standort gar nicht erst in die Teilgebietsauswahl aufgenommen wird.
  • Die geologischen Daten sind zu einem guten Teil im Besitz privater Bergbauunternehmen. Diese müssen die Daten zwar an die Landesämter liefern, sie bleiben aber als Betriebsgeheimnisse unter Verschluss. Das heißt, die Bürgerinnen und Bürger können nicht nachvollziehen, warum eine Region zu einem Teilgebiet erklärt wird oder nicht. 
  • Die geologischen Landesämter sind teilweise seit vielen Jahren personell unterbesetzt und können die zusätzliche Aufgabe kaum leisten.
  • Bayern und Sachsen haben einen Standort auf ihren Gebieten bereits abgelehnt. Offen ist, ob dies auch Auswirkungen auf die Daten hat, die an die BGE geliefert werden.

Das Standortauswahlverfahren startete 2017, am 28.09.2020 sollen die Teilgebiete in einem Zwischenbericht bekannt gegeben werden.

Am 30.06.2020 trat das Geologiedatengesetz in Kraft. [6] Die mit dem Gesetz verbundene Hoffnung, dass die geologischen Daten, die für die Auswahl der Teilgebiete herangezogen werden, veröffentlicht werden müssen und damit für alle nachvollziehbar werden, erfüllt das Gesetz nicht. Es gibt zwar keine generelle Einzelfall-Abwägung zwischen Privat- und Gemeinwohlinteresse wie es noch der Gesetzentwurf vorsah. Das Gesetz stellt fest, dass für Verfahren im Rahmen des StandAG in der Regel davon auszugehen sei, "dass die Gründe des Allgemeinwohls für die öffentliche Bereitstellung überwiegen (GeolDG, § 34). Trotzdem haben die privaten Inhaber der Daten das Recht, einer Veröffentlichung zu widersprechen und dieses muss im Einzelfall geprüft werden.

Nun hat sich der Gesetzgeber eine Hilfskonstruktion einfallen lassen: Die BGE soll einen "gesonderten Datenraum" einrichten der geschützt wird und zu dem nur bis zu fünf vom Nationalen Begleitgremium bestellte Geologen Zugang erhalten. Diese sind jedoch der Verschwiegenheit verpflichtet. Eine transparente Nachvollziehung der Festlegungen der Standortregionen sieht anders aus. Diese Konstruktion wäre nicht notwendig, wenn entweder das Gesetz eindeutiger wäre oder kein derartiger Zeitdruck auf das Verfahren gemacht werden würde .

An die geologischen Daten werden zuerst die in § 22 StandAG definierten Ausschlusskriterien angelegt. Ausgeschlossen werden Gebiete mit:

  • Großräumigen Vertikalbewegungen (mindestens 1 mm/Jahr Hebung über 1 Mio. Jahre)
  • Aktiven Störungszonen (deutliche Verwerfungen in den oberen Gesteinsschichten der Erdkruste),
  • frühere oder aktive Bergbaugebiete inklusive Gebiete mit alten Bohrungen, die die Barrierewirkung beeinträchtigen
  • seismischer Aktivität (Erdbebengebiete)
  • vulkanischer Aktivität
  • jungem Grundwasser im einschlusswirksamen Gebirgsbereich (ewG)

Die verbleibenden Gebiete müssen folgende in § 23 definierten Mindestanforderungen gleichzeitig erfüllen:

  • Gebirgsdurchlässigkeit des ewG oder der überlagernden Schichten kf kleiner als 10-10 m/s.
  • Der ewG muss mindestens 100 m mächtig sein. Bei kristallinem Gestein mit geringerer Mächtigkeit kann der Nachweis des sicheren Einschlusses auch über geotechnische und   technische Barrieren geführt werden.
  • Die Oberfläche des ewG muss mindestens 300 m unter der Erdoberfläche sein. Je nach Gesteinsart und zu erwartenden geologischen Prozessen gibt es hierzu weitere Anforderungen.
  • Eine ausreichende Einlagerungsfläche inklusive eines eventuell späteren Rückholungsbergwerks muss vorhanden sein.
  • Es darf keine Erkenntnisse oder Daten geben, die die Integrität des ewG über eine Million Jahre zweifelhaft erscheinen lassen.

Gebiete, in denen die notwendigen Daten für eine Mindestanforderung erst im späteren Verlauf des Standortauswahlverfahrens erhoben werden können, bleiben erst mal im Verfahren.

Als dritter Schritt werden die in § 24 definierten geowissenschaftlichen Abwägungskriterien, die in den Anlagen 1 bis 11 des StandAG präzisiert sind, herangezogen:

  • Bewertung des Transportes radioaktiver Stoffe durch Grundwasserbewegungen im einschlusswirksamen Gebirgsbereich
  • Bewertung der Konfiguration der Gesteinskörper
  • Bewertung der räumlichen Charakterisierbarkeit
  • Bewertung der langfristigen Stabilität der günstigen Verhältnisse
  • Bewertung der günstigen gebirgsmechanischen Eigenschaften
  • Bewertung der Neigung zur Bildung von Fluidwegsamkeiten
  • Bewertung der Gasbildung
  • Bewertung der Temperaturverträglichkeit
  • Bewertung des Rückhaltevermögens im einschlusswirksamen Gebirgsbereich
  • Bewertung der hydrochemischen Verhältnisse
  • Bewertung des Schutzes des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs durch das Deckgebirge

Für jedes Kriterium sind Parameter definiert, die ein Gebiet günstig, bedingt günstig oder weniger günstig erscheinen lassen. Die Parameter sind dabei nicht unbedingt klar definiert. So wird z.B. zur Bewertung des Kriteriums „Gasbildung“ das „Wasserangebot im Endlagerungsbereich“ als Indikator herangezogen. Trocken ist günstig, feucht und dicht (Gebirgsdurchlässigkeit < 10-11 m/s) ist bedingt günstig, feucht ist weniger günstig. Interessant bleibt, wann „trocken“ aufhört und „feucht“ beginnt.

Deutliche Kritik gibt es beispielsweise auch vom GFZ Deutsches GeoForschungsZentrum zum Ausschluss der Erdbebengebiete bzw. der dortigen Nutzung der Erdbebengebiete-Norm aus dem Hochbau. Diese, so das GFZ, sei für Erdbebenprognosen unter Tage völlig ungeeignet.

Entscheidend für die Auswahl von Teilgebieten nach § 24 StandAG ist die zwangsläufig notwendige Wichtung der Kriterien. Alle Gebiete werden Bedingungen aufweisen, die sie für das eine Kriterium als günstig, für das andere als nur bedingt günstig oder weniger günstig ausweisen. Je nachdem, welches Kriterium für bedeutender eingestuft wird, fällt das Gebiet dann aus dem Suchprozess heraus oder nicht.

Nachdem die Teilgebiete in einem Zwischenbericht benannt worden sind und das vorgeschriebene Beteiligungsverfahren durchgeführt wurde (s.u.), führt die BGE für die Teilgebiete repräsentative vorläufige Sicherheitsuntersuchungen nach § 27 StandAG durch. Dabei wird das Endlagersystem in seiner Gesamtheit betrachtet und entsprechend dem Stand von Wissenschaft und Technik hinsichtlich seiner Sicherheit bewertet. Dies beinhaltet auch eine Beurteilung, inwiefern in dem jeweiligen Gebiet zu erwarten ist, dass eine zusätzliche Endlagerung größerer Mengen schwach- und mittelradioaktiver Abfälle möglich ist. Die vorläufige Sicherheitsuntersuchung kann in diesem Stadium nur auf Grundlage bereits bekannter Daten erfolgen.

Danach werden erneut die geologischen Abwägungskriterien nach § 24 angelegt und in einem weiteren Schritt die planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien nach § 25 StandAG. Diese Kriterien sind ihrerseits in drei Gewichtungsgruppen eingeteilt.

Stärkste Wichtung:

  • Abstand zur Wohn- und Mischgebieten
  • Emissionen
  • Oberflächennahe Grundwasservorkommen zur Trinkwassergewinnung
  • Überschwemmungsgebiete

Mittlere Wichtung:

  • Naturschutzgebiete
  • Bedeutende Kulturgüter
  • tiefe Grundwasservorkommen zur Trinkwassergewinnung

Schwächste Wichtung:

  • Störfallbetriebe in der Nachbarschaft
  • Abbau von Bodenschätzen, einschließlich Fracking
  • Geothermische Nutzung des Untergrunds
  • Nutzung des geologischen Untergrundes als Erdspeicher (Druckluft, CO2-Verpressung, Gas)

Dabei ist z.B. das Kriterium Abstand weniger hart als bei der Windenergie. Ein Abstand eines Lagers für hochradioaktive Abfälle zur Wohn- oder Mischgebieten größer 1.000 Meter wird zwar als günstig bewertet, ein Abstand zwischen 500 und 1.000 Meter ist aber immerhin noch bedingt günstig. Darunter ist der Standort weniger günstig, allerdings nicht ausgeschlossen.

Am Ende dieses Auswahlprozesses schlägt die BGE Standortregionen für die obertägige Erkundung vor. Diese Auswahl wird vom BaSE überprüft, ggfs. verändert und am Ende der Phase 1 vom Bundesumweltministerium dem Deutschen Bundestag übermittelt, der die übertägig zu erkundenden Standortregionen per Gesetz beschließen muss. Es ist nicht festgelegt, wie viele Regionen in Phase 2 untersucht werden müssen

Phase 2 - Übertägige Erkundung und Auswahl der Standorte für die untertägige Erkundung

Die vom Bundestag beschlossenen Standortregionen werden in der Phase 2 übertägig nach noch zu präzisierenden standortbezogenen Erkundungsprogrammen erkundet und weiterentwickelte vorläufige Sicherheitsuntersuchungen durchgeführt. Im nächsten Schritt führt die BGE in den Standortregionen sozioökonomische Potenzialanalysen durch.

Im Klartext: Es wird untersucht, mit welchen regionalen Entwicklungsprogrammen der jeweilige potenzielle Endlagerstandort einen Ausgleich für die dadurch entstehenden Nachteile erhalten (und somit auch der Widerstand gegen eine Standortentscheidung abgeschwächt werden) könnte.

Anschließend durchlaufen die Standortregionen wiederum die Prüfung nach den §§ 22 bis 25 sowie nochmal einer umfassenden vorläufigen Sicherheitsuntersuchung. Wobei die Anforderungen und Kriterien im Laufe des Verfahrens weiter konkretisiert werden sollen.

Am Ende dieses Auswahlprozesses schlägt die BGE Standortregionen für die untertägige Erkundung vor. Diese Auswahl wird vom BaSE überprüft, ggfs. verändert und am Ende der Phase 2 vom Bundesumweltministerium dem Deutschen Bundestag übermittelt, der die untertägig zu erkundenden Standortregionen per Gesetz beschließen muss. Dies müssen mindestens zwei sein. [StandAG § 19, Absatz 1]

Phase 3 - Untertägige Erkundung und Auswahl des Endlager-Standorts

Die Vorgehensweise in Phase 3 entspricht der der Phase 2 wobei zusätzlich zur vorläufigen Sicherheitsuntersuchung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Am Ende beschließt der Bundestag per Gesetz den Endlagerstandort.

Phase 4 - Genehmigungsverfahren

An die Standortentscheidung schließt sich das atomrechtliche Genehmigungsverfahren an. Erst in diesem Verfahren werden die Details des Endlagerbetriebs festgelegt und weitere Untersuchungen durchgeführt. Es ist zu erwarten, dass dann allerdings keine Umweltverträglichkeitsprüfung mehr stattfinden wird und die Bürgerinnen und Bürger - wenn es konkret wird - nichts mehr zu sagen haben werden.

Die Beteiligungsinstrumente

Das Standortauswahlverfahren wird begleitet von einem ganzen Strauß an Beteiligungsinstrumenten.

Nationales Begleitgremium (NBG): Bereits im Sommer 2016 wurde das Nationale Begleitgremium (NBG) eingesetzt. Aufgabe des NBG „ist die vermittelnde und unabhängige Begleitung des Standortauswahlverfahrens, insbesondere der Öffentlichkeitsbeteiligung, mit dem Ziel, so Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen.“ [StandAG, § 8, Abs. 1] Das NBG kann sich wissenschaftlich beraten lassen, Fragen stellen, Stellungnahmen und Empfehlungen abgeben. Das NBG soll aus zwölf anerkannten „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ sowie sechs Bürgerinnen oder Bürgern bestehen, davon zwei aus „der jungen Generation“.

Fachkonferenz Teilgebiete: Am Ende der Phase 1a, sobald der Bericht zu den Teilgebieten vorliegt, beruft das BaSE die „Fachkonferenz Teilgebiete“ ein. In dieses Gremium können Vertreterinnen und Vertreter von Kommunen, gesellschaftlichen Organisationen, der Wissenschaft sowie Bürgerinnen und Bürger berufen werden. Das BaSE plant für den 17./18.10.2020 eine Auftaktveranstaltung der Fachkonferenz auf der der Zwischenbericht vorgestellt werden soll.

Die Fachkonferenz Teilgebiete darf sich innerhalb von sechs Monaten maximal dreimal treffen und hat anschließend einen Monat Zeit ihre Beratungsergebnisse niederzuschreiben. Anschließend wird sie aufgelöst. Kritisert wird, dass dies ein viel zu kurzer Zeitraum ist, um die Auswahl der Teilgebiete fachlich nachvollziehen und bewerten zu können. Angesichts dessen ist es nicht nachzuvollziehen, dass das BaSE diesen Zeitraum auf fünf Monate verkürzen will. Die angekündigten Termine sind: 4.-7. Februar 2021 in Kassel, 15.-18. April 2021 in Darmstadt und 10.-13. Juni in Berlin.

Regionalkonferenzen: Am Ende der Phase 1, noch vor der Entschiedung des Bundestages richtet das BaSE Regionalkonferenzen in den übertägig zu erkundenden Standortregionen ein. Sie bestehen aus einer Vollversammlung und einem Vertretungskreis. Zur Vollversammlung können alle Personen kommen, die in der zu erkundenden Region oder einer angrenzenden Kommune gemeldet und mindesten 16 Jahre alt sind. Der Vertretungskreis besteht aus maximal 30 Personen, zu einem Drittel aus der Vollversammlung, zu einem Drittel aus der Kommune (Verwaltung oder Gewählte) und zu einem Drittel aus gesellschaftlichen Gruppen. Die Regionalkonferenzen können sich wissenschaftlich beraten lassen, Stellungnahmen und Nachprüfaufträge abgeben. Sie sollen die Öffentlichkeit informieren und Konzepte zur Regionalentwicklung ausarbeiten. Damit soll der letztendlich ausgewählte Standort für seine Nachteile entschädigt werden. Scheidet eine Standortregion aus dem Suchverfahren aus, wird die betreffende Regionalkonferenz aufgelöst.

Fachkonferenz Rat der Regionen: Zudem richtet das BaSE eine sogenannte Fachkonferenz Rat der Regionen ein, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Regionalkonferenzen und der Gemeinden zusammensetzt, in denen die radioaktiven Abfälle zwischengelagert werden, auch hier maximal 30 Personen. Der Rat der Regionen soll beim Ausgleich widerstreitender Interessen der Standortregionen helfen.

Mitentscheidungsmöglichkeiten gibt es für keines der Gremien.

Internetplattform: Zur Unterrichtung der Öffentlichkeit richtet das BaSE eine Internetplattform ein. Bürgerinnen und Bürger können darüber Stellungnahmen abgeben, die das BaSE auswerten muss.

Erörterungstermine: In den betroffenen Gebieten findet vor den Entscheidungen des Bundestages jeweils ein Erörterungstermin statt, an dem Bürgerinnen und Bürger ihre Einwände vortragen können.

Juristische Möglichkeiten

Am Ende der Phase 2 gibt es erstmals die Möglichkeit, juristische Schritte einzulegen. Dazu wurde folgende Konstruktion im StandAG festgelegt: Bevor das BaSE den Vorschlag, welche Standorte untertägig erkundet werden sollen an das Bundesumweltministerium übermittelt stellt es einen Bescheid aus, dass „das bisherige Standortauswahlverfahren nach den Regelungen dieses Gesetzes durchgeführt wurde und der Auswahlvorschlag diesen entspricht.“ Gegen diesen Bescheid kann in einer einzigen Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht, Klage erhoben werden. [StandAG § 17, Absatz 3] Das Gericht urteilt dann aber lediglich darüber, ob das Gesetz „richtig“ angewendet wurde, nicht über die Geeignetheit der ausgewählten Standorte.

Wenn das Urteil rechtskräftig ist, werden die Vorschläge für die untertägige Erkundung an das Bundesumweltministerium und den Bundestag weitergeleitet.

Dasselbe Prozedere findet am Ende der Phase 3 statt. Da in Phase 3 die Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wird, müsste es hier erweiterte Möglichkeiten für materielle Klagen geben.


[1] Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz StandAG), 23. Juli 2013, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, S. 2510)

[2] Verordnung über die sicherheitstechnischen Anforderungen an die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle, Referentenentwurf vom 11.07.2019

[3] Tonnen Schwermetall: Diese Maßeinheit wird speziell für abgebrannte Brennelemente benutzt.  Das Metall der Hüllrohre, Abstandhalter, etc. wird dabei nicht mitgerechnet. 1 t SM sind also 1000 kg abgebrannte Brennelemente.

[4] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Verzeichnis radioaktiver Abfälle (Bestand zum 31. Dezember 2017 und Prognose), August 2018

[5] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Programm für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung bestrahlter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (Nationales Entsorgungsprogramm), August 2015, sowie Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Zweiter Bericht zur Durchführung der Richtlinie 2011/70/EURATOM, August 2018

[6] Gesetz zur amtlichen geologischen Landesaufnahme sowie zur Übermittlung, Sicherung, öffentlichen Bereitstellung und Zurverfügungstellung geologischer Daten (Geologiedatengesetz – GeolDG), 19.06.2020, BgBl  Jg 20 Teil 1 Nr. 30