Anlage |
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Name: | NUKEM - Brennelementfertigung Hanau |
Bundesland: | Hessen |
Betreiber: | NUKEM - Nuklearchemie und –metallurgie GmbH |
Gesellschafter: | Gegründet 01.04.1960 von Degussa (67,5%), Rio Tinto (22,5%) und der US-Forma Mallinckrodt [1] November 1960: Übernahme von 15 % durch die Metallgesellschaft AG [1] 1965 stieg RWE bei NUKEM ein, später übernahm RWE NUKEM zu 100%. 2006 wurde NUKEM an den Finanzinvestor Advent International verkauft. 2007 wurden verschiedene Tochterunternehmen verkauft. Die in Alzenau ansässige NUKEM Technologies GmbH ist seit 2009 zu 100 Prozent im Besitz von JSC Atomstroyexport, einer Tochter der russischen Rosatom-Holding. [2] Sie ist jedoch ebenso wenig wie die RD Hanau GmbH (Tochter der RWE Power) als Rechtsnachfolgerin der NUKEM dingfest zu machen. [3] |
Tätigkeiten: | Brennelementfertigung für Forschungs- und Materialtestreaktoren aus Uran und Thorium bis zu einer Uran-235-Anreicherung von 94 Gewichtsprozent Herstellung von Tritium-Targets. Diese können im medizinischen Bereich und zur Herstellung von Wasserstoffbomben verwendet werden. 1975/76 lieferte NUKEM zwei Großflächen-Tritium-Targets für 2,5 Mio. DM an das Bundesverteidigungsministerium [4] |
Inbetriebnahme: | 1962 NUKEM 1 (alt) |
Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde: | Inbetriebnahme: Hessisches Ministerium für Wirtschaft und Technik (HMWT) Stilllegung: Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUELV) |
Genehmigungen: | 1962: Umgangsgenehmigung nach § 9 AtG: Zulassung der Lagerung und Verarbeitung von Kernbrennstoffen in einer vorhandenen Anlage ohne förmliches Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Nutzung der Anlagen der Fa. Degussa, die bereits während des Nationalsozialismus an der Urantechnologie forschte und Ende der 1950er Jahre ihre Tätigkeiten in diesem Bereich wiederaufnahm. [5] 30.12.1974: Genehmigung nach § 9 AtG zur Lagerung von bis zu 1.800 kg hochangereichertes Uran mit einer Anreicherung bis zu 94% U-235 [6] 15.07.1975: Die 3. AtG-Novelle schreibt eine Genehmigungspflicht nach § 7 AtG für Brennelementfabriken vor. Unbefristet genehmigte Betrieb erhalten eine Übergangsfrist bis zum 31.10.1977, befristet genehmigte Anlagen drei Monate. Für die Hanauer Brennelementfabriken wurden fristgemäß Anträge nach §7 AtG gestellt, allerdings ohne die neu erforderlichen Sicherheitsnachweise zu erbringen. [7] 28.11.1984: 1. Teilerrichtungsgenehmigung für die Anlage NUKEM II [8] |
Betrieb ohne Genehmigung: | Mehr als ein Jahrzehnt verschleppten NUKEM, ALKEM, RBU und HOBEG mit Billigung des Landes Hessen durch „Vorabzustimmung“ und in Kenntnis des Bundes das Genehmigungsverfahren, bauten ihre Produktionsanlagen um und aus und hantieren wie ALKEM sogar mit hochgiftigem Plutonium ohne Sicherung gegen Flugzeugabstürze oder Erdbeben. 1986 legte die Staatsanwaltschaft eine 658-seitige Anklageschrift wegen unerlaubten Betriebs einer kerntechnischen Anlage vor. Die angeklagten Manager und Verantwortlichen im hessischen Umweltministerium wurden jedoch am 12.11.1987 alle freigesprochen, da ein absichtliches Fehlverhalten nicht beweisbar war. Allerdings stellte das Gericht fest, dass die Vorabzustimmungen rechtswidrig erteilt wurden. [7] |
Besondere Gefahren: | Es gab keinen Sicherheitsnachweis und keine Sicherheitsüberprüfung für die Produktionsanlagen der NUKEM (alt). Gutachten vom TÜV Bayern und der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) zeigten erhebliche Sicherheitsmängel auf. [9] NUKEM hantierte mit hochangereichertem, waffenfähigen Uran. Die Kontrollen der IAEA waren unzureichend. Keine der Anlagen war trotz Nähe zum Frankfurter Flughafen gegen Flugzeugabsturz gesichert. |
Bekannte Ereignisse: | 1982-1985 wurden im Kontrollbereich angefallene radioaktive Reststoffe ohne Information der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde geschreddert. [110] 1985 wurden sechs Mitarbeiter der Hessischen Atomaufsicht beim Kontrollgang an Händen, Haaren und Kleidern kontaminiert. [11] 1987 wurden mindestens 16 Arbeiter verstrahlt, als sie in der Abteilung „Schrottaufbereitung“ ein Röhrchen zersägen, das Plutonium enthielt, obwohl Plutonium in der Anlage gar nicht verarbeitet werden durfte. Die Anlage hatte keine Eingangskontrolle, man verließ sich auf die Deklaration der Anlieferer. Das Röhrchen stammte aus dem Kernforschungsanlage Karlsruhe. [11] "Blenden" radioaktiver Abfälle: Der Anteil an U-235-Isotopen in den uranhaltigen Reststoffen der NUKEM GmbH (alt) lag meistens über einem U-235-Isotopenanteil von mehr als 0,71 %. Diese Stoffe durfte weder die Transnuklear GmbH transportieren noch die CEN/SCK in Mol behandeln. NUKEM vermischte deshalb den kernbrennstoffhaltigen Abfall mit abgereichertem Uran ("Blenden"), laut Akten der Staatsanwaltschaft mit Wissen des hessischen Umweltministeriums. Weil die Stoffe nicht zu einer homogenen Mischung verarbeitet wurden, befanden sich in einzelnen Gebinden höhere U-235-Konzentrationen. [10] Proliferation: Die Vorwürfe, dass atomwaffenfähiges Material nach Libyen und Pakistan geliefert wurde, konnten nicht bewiesen werden. Am 14.01.1988 berichteten der hessische Ministerpräsident Wallmann und sein Staatsminister Weimar die Geschäftsführung von NUKEM über diesen Verdacht, ohne der ermittelnden Hanauer Staatsanwaltschaft vorher oder im Nachgang von dem Gespräch zu unterrichten. Einen Tag später verkündete die Geschäftsführung der NUKEM, dass ein oder zwei Kobalt-60-Quellen zu medizinischen und geringe Mengen Uranhexafluorid zu Experimentierzwecken nach Pakistan geliefert worden seien, nach Libyen hätte keine Transporte stattgefunden. [10] Illegale Lagerung von Atommüll: Bereits 1985 hatte die NUKEM bei Eingangskontrollen zurückgeführter Abfälle aus Mol festgestellt, dass diese mit Cäsium-137 und Kobalt-60 verunreinigt waren. Im Juli 1987 stellte NUKEM bei zurückgeführten Fässern eine Plutoniumkontamination fest. Alle Fässer lagerten trotz offizieller Zurückweisung durch NUKEM auf dem Gelände von NUKEM bzw. der Tochterfirma Transnuklear in Hanau, ohne dafür eine Umgangsgenehmigung zu haben. Erst am 07.01.1988, nach Bekanntwerden des Transnuklearskandals informierte NUKEM die hessische Aufsichtsbehörde über diese Fässer. [10] |
Transnuklearskandal: | Transnuklear wurde 1966 von NUKEM (80%) und TNP-Transnucleaire Paris (20%) gegründet. Transnuklear war quasi Monopolist für den Transport radioaktiver Abfälle und bestrahlter Brennelemente. Schmiergeldzahlungen: Transnuklear und NUKEM bezahlten an Mitarbeiter von Atomkraftwerken und ihrer Betreibergesellschaften Schmiergeld, um Entsorgungsaufträge zu erhalten. [10] Der Hauptverantwortliche Holtz soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft in der U-Haft Selbstmord begangen haben. Zweifel an der Selbstmordversion bestehen noch heute. [12] Falsch deklarierte Fässer: 1987 wurde bekannt, dass die Firma Transnuklear jahrelang auf illegale Weise Atommüll über die deutsch-belgische Grenze verschob und diesen Transfer mit Geldern in Millionenhöhe entlohnte. Anstatt den Abfall im belgischen Mol verbrennen zu lassen, wurden die Abfälle einfach zusammengekippt, mit weiteren Abfällen u.a. Plutonium vermischt, umdeklariert und unbehandelt nach Deutschland zurückgebracht. [10] Wenn keine Rückstände aus der Behandlung radioaktiver Abfälle aus deutschen Kernkraftwerken in MOL zur Verfügung standen, weil die CEN/SCK sie im Meer versenkt hatte, wurden einfach belgische oder andere Abfälle zurückgeliefert. Die falsch deklarierten Gebinde wurden an Atomkraftwerksstandorte, ins Fasslager Gorleben und zu NUKEM zurückverbracht. [10] |
Stilllegung |
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Außerbetriebnahme: | 15.01.1988: Im Zuge des Transnuklearskandals erließ das Hessische Ministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit (HMUR) die Anordnung, den Betrieb von NUKEM (alt) vorläufig einzustellen, bis eine Zuverlässigkeitsprüfung der NUKEM GmbH durchgeführt worden ist. Die neue Geschäftsführung der NUKEM GmbH entschied, den Betrieb von NUKEM (alt) nicht mehr aufzunehmen und die Produktion von Brennelementen für Forschungsreaktoren (MTR) ganz einzustellen. [13] 05.04.1988: Das HMUR hob seine Stilllegungsanordnung auf , erlaubte das Leerfahren der Anlagen und ordnete die endgültige Einstellung des Betriebes von NUKEM (alt) zum 31.12.1988 an. [13] |
Stilllegung: | 23.12.1988: Antrag auf Stilllegung der gesamten Betriebsstätte NUKEM 05.12.1988: Erste Genehmigung zum Abbau von Anlagenteilen im Bereich der Brennelementfertigung 10.03.1993: Stilllegungsgenehmigung Es hatte sich gezeigt, dass die sogenannte Monostahalle, die sich auf dem Gelände der Degussa (außerhalb der Umzäunung des Nukem-A-Geländes) befand und zwischenzeitlich von Degussa wieder genutzt wurde, in das Stilllegungsverfahren mit einbezogen werden musste. Deshalb wurden zwei zusätzliche Genehmigungen für den Abriss dieses Gebäudekomplexes beantragt und am 09.11.1999 sowie am 26.06.2001 erteilt. [14] |
Rückbau: | Mai 2006: Aus dem Geltungsbereich des Atomgesetzes entlassen. [14] 2002-20015: Eine Fläche von 1.000 m2 blieb für den Betrieb einer radiologischen Grundwassersanierungsanlage im Atomgesetz bis der wasserrechtliche Sanierungswert von 20 µg Uran/l erreicht wurde. [15] 20.07.2015: Einstellung der Grundwassersanierung und Entlassung aus dem Atomgesetz [14] |
Abfälle |
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Verbringung von Abfällen: |
Beide Salzbergwerke sind unterirdisch miteinander verbunden. |
Quellen[1] AG Atomindustrie: Wer mit Wem in Atomstaat und Großindustrie. Zweitausendeins Verlag, Frankfurt a.M. 1987 [2] nukemtechnologies.com: Über uns [4] Nicht nur für zivile Nutzung, Frankfurter Rundschau 13.06.1984 [5] Joachim Radkau: Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945-1975. Rowolth Taschenbuch Verlag,.Reinbeck bei Hamburg, August 1983 [6] Die Grünen im Hessischen Landtag: NUKEM II nicht genehmigungsfähig. Gefahr der Weiterverbreitung von waffenfähigem Material (NUKEM, Uran/ALKEM, Plutonium) weiter gegeben. Pressemitteilung 111/84, 19.09.1984 [8] Hessischer Minister für Wirtschaft und Technologie: 1. Teilerrichtungsgenehmigung NUKEM II. 28.11.1984 [9] Die Uranfabrik Nukem I wird nun doch stillgelegt, Abendzeitung München 4./5.07.1987 [11] Jeder Hammer. In DER SPIEGEL 13/1987, 22.03.1987 [12] Ein ungeheuerlicher Verdacht, Frankfurter Neue Presse – Höchster Kreisblatt, 06.04.2013 [16] umweltministerium.hessen.de: Kerntechnische Anlagen - Orano NCS, abgerufen 10.08.2023 [17] Stadt Heilbronn: „Lagerung von schwach radioaktiven Abfällen im Salzbergwerk Heilbronn“, 25.10.2011 |