SZL Brunsbüttel

Name: Standort-Zwischenlager Brunsbüttel

Art der Anlage: Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente

Status der Anlage: ohne Genehmigung, trotzdem in Betrieb

Bundesland: Schleswig-Holstein

Betreiber: Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH

Quelle: contratom.de

Anlage

 

Name der Anlage:

Standort-Zwischenlager (SZL) Brunsbüttel

Bundesland:

Schleswig-Holstein

Betreiber:

Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH & Co. oHG

Am 01.01.2019 ist die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH dem laufenden Genehmigungsverfahren beigetreten.

Infolge des Entsorgungsübergangsgesetzes vom 27.01.2017 wird das Zwischenlager inklusive der Abfallbehälter nach der Genehmigung auf die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH übertragen. Die BGZ ist ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen, das zu 100 % Im Besitz des Bundes ist. [1] Die BGZ ist eine Ausgründung der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS).

Gesellschafter:

Vattenfall Europe Nuclear Energy GmbH (66,6%), E.ON Kernkraft GmbH (33,3%)

Bauweise:

Hallenbau STEAG-Konzept: Wandstärke ca. 1,2 m, Deckenstärke ca. 1,3 m, einschiffiges Gebäude

Inbetriebnahme:

05.02.2006: Einlagerung des ersten CASTOR®-Behälters

Genehmigungs-behörde:

Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BaSE)

30.06.2016: Übergang der Zuständigkeit vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) auf das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) [1] 01.01.2020: Umbenennung in BaSE

Aufsichtsbehörde:

Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur (MEKUN)

Genehmigung: [2]

Genehmigung vom 28.11.2003 nach §6 AtG, Anordnung des Sofortvollzuges am 28.10.2005:

  • Uran-Brennelemente und Hochabbrand-Uran-BE aus dem AKW Brunsbüttel
  • max. 450 t SM
  • max. 6,0 x 1019 Bq
  • max. 2,0 MW Wärmeleistung
  • Befristung: 04.02.2046 (40 Jahre, Einlagerungsbeginn 05.02.2006)

Lagerung in CASTOR® V/52 Behältern, max. 52 BE pro CASTOR®:

  • 80 Stellplätze (entspricht ca. 42 Betriebsjahren plus einer Vollentladung des Reaktors)
  • Gesamtinventar pro Behälter max. 5,5 x 1017 Bq
  • max. 40 kW Wärmeleistung pro Behälter
  • Befristung: 40 Jahre ab Beladung

Sonstige Genehmigungen:

  • Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen, die im SZL bei Prüfungen und Wartungen verwendet werden oder als betriebliche Abfälle anfallen
  • Abstellen leerer, innen kontaminierter CASTOR® V/52, max. 7,4 x 1012 Bq pro Behälter, die für die Beladung vorgesehen sind
  • Umgang mit den beantragten umschlossenen radioaktiven Stoffen in Form von Prüfstrahlern für Mess- und Kalibrierzwecke

Änderungen und
Ergänzungen:
[2]

1. Änderungsgenehmigung vom 14.03.2008: Erhöhung der möglichen Restfeuchte

2. Änderungsgenehmigung vom 21.07.2014 (nach dem Urteil des OVG Schleswig): Aufrüstung der Krananlage

Beide Genhmigungen wurden vom BfS ohne Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt.

Mit dem Urteil des BVerwG vom 08.01.2015 wurde die Genehmigung vom 28.11.2003 aufgehoben. Damit sind laut Bundesregierung auch die laufenden Änderungsgenehmigungsverfahren gegenstandslos. [3]

Klagen:

17.04.2004: Ein ca. 6 km entfernt wohnendes Ehepaar reicht Klage gegen die Genehmigung ein.

31.01.2007: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig weist die Klage ab, lässt aber eine Revison zu.

10.04.2008: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hebt das Urteil des OVG auf und weist die Klage an das OVG zurück.

19.06.2013: Das Oberverwaltungsgericht hebt die Genehmigung für das SZL Brunsbüttel auf. Unter anderem seien die Risiken von gezielten Terrorangriffen sowie der Absturz eines Airbus A380 nicht ausreichend untersucht worden. [4]

08.01.2015: Das BVerwG bestätigt die Entscheidung des OVG und damit die Aufhebung der Betriebsgenehmigung. [5]

Betrieb ohne Genehmigung:

Das Bundesumweltministerium zieht keine Konsequenzen für andere Standortzwischenlager: "Wir haben aufgrund dieser Situation sofort zu einer Besprechung mit den Länderkollegen, die davon betroffen sind [...] eingeladen und die Diskussion geführt, welche Konsequenzen aus dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu ziehen sind. [Diese haben festgestellt] dass keine Erkenntnisse vorliegen, die die rechtskräftigen Genehmigungen an allen anderen zentralen und dezentralen Zwischenlagern in Frage stellen." [6]

16.01.2015: Das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR) erlässt eine atomaufsichtliche Anordnung, dass die Castor-Behälter auch ohne Genehmigung bis Anfang 2018 im Standortzwischenlager verbleiben dürfen. Bis dahin muss die Betreiberin des Zwischenlagers, Vattenfall, für eine genehmigte Aufbewahrung Sorge tragen, eine Regelung zur Zwischenlagerung zu treffen.  [7]

20.12.2017: Anordnung zur Verlängerung der Bereitstellung bis 31.12.2020 [8]

07.12.2018: Das MELUR erlaubt die weitere Einlagerung von Castoren mit Brennelementen aus dem AKW Brunsbüttel obwohl das SZL immer noch keine Genehmigung hat. [9] 11 weitere Castoren werden "zur bestmöglichen Schadensvorsorge" - deklariert als Bereitstellung - in das SZL eingelagert. [10]

17.01.2020: Erneute Verlängerung der Bereitstellung, diesmal auf unbestimmte Zeit. Da sich die Neu-Genehmigung für das SZL Brunsbüttel immer weiter verzögert, wurde in der neuen Verlängerung auf eine zeitliche Befristung verzichtet. Die Castoren sollen jetzt bis zu einer erneuten Genehmigung für das SZL Brunsbüttel vor Ort lagern dürfen unabhängig des Zeitpunktes der Genehmigung. [11]

Das BaSE kritisert das Vorgehen des Kieler Umweltministers Albrecht (Grüne) deutlich als Freifahrtschein für den Betreiber: "Eine auch im Interesse der Bundesbehörde liegende Beschleunigung des Verfahrens kann durch die aufsichtliche Einwirkungsmöglichkeit des Umweltministers auf die Antragstellerin Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH & Co. oHG erreicht werden, indem er das Unternehmen zur zeitnahen Vorlage von vollständigen Antragsunterlagen verbindlich verpflichtet. Der Umweltminister von Schleswig-Holstein legt mit seiner öffentlichen Rechtfertigung für eine unbefristete aufsichtliche Anordnung für das Zwischenlager Brunsbüttel und der damit verbundenen Aufforderung an das Bundesamt die ,vorläufige Regelung nun so schnell wie möglich durch einen belastbaren Genehmigungsbescheid' zu ersetzen, ein bemerkenswertes Verständnis von notwendigen Sicherheitsnachweisen an den Tag." [12]

Ebenso kritierst das BaSE den Betreiber, dass er die notwendigen Unterlagen für die Prüfung der Genehmigung nicht vorlegt: "Derzeit fehlen nach wie vor entscheidende Sicherheitsnachweise, um die Genehmigungsvoraussetzungen für das Zwischenlager zu erfüllen. Dies betrifft beispielsweise Nachweisunterlagen für CASTOR-Behälter. [...] Eine UVP kann erst dann abgeschlossen werden, wenn beispielsweise Fragen zu Auswirkungen eines Störfalles durch benachbarte Anlagen bewertet werden können. Für das beantragte Standort-Zwischenlager Brunsbüttel betrifft dies insbesondere die derzeit geplante Anlage zum Umschlag und zur Lagerung von kälteverflüssigtem Erdgas (LNG-Terminal). [12]

Besondere Gefahren:

20.01.2023: Das schwimmende fast 300m lange LNG-Terminal "Höegh Gannet" erreicht den Gefahrgut-Liegeplatz im Brunsbütteler Elbehafen West. Tanker mit verflüssigtem Erdgas, unter anderem aus den USA und Katar, können Brunsbüttel damit künftig ansteuern. [13] Vor allem für das Zwischenlager mit seinen 20 Castoren ist das ein ernstes Problem. Nicht weit entfernt wird künftig Erdgas aus dem verflüssigten in gasförmigen Zustand gebracht und dann ins Gasnetz eingespeist. Ginge etwas schief, könnte etwa eine Explosion auch das Zwischenlager durch Explosionsdruckwellen in Mitleidenschaft ziehen. [14] 

Zu den weiteren Gefahren siehe "Klagen"

Meldepflichtige Ereignisse:

5 (Stand 31.12.2021) [15], u.a.:

15.02.2008: technischer Defekt in einem Druckschalter am äußeren Behälterdeckel

11.01.2013: Batterieausfall in der Netz-unabhängigen Stromversorgung

19.06.2019: Abweichung im Bereich der Behälterüberwachung

Stilllegung

 

Betrieb befristet:

Bis 04.02.2046 (40 Jahre nach Einlagerungsbeginn)

Abfälle

 

Inventar:

01.01.2020: 20 CASTOR®-Behälter eingelagert [16]

Laut BaSE werden keine weiteren Stellplätze benötigt, so dass von den 24 Stellplätzen 4 frei bleiben. [16]

Im Zuge der Konsensfindung zwischen CDU, SPD, FDP und Grünen zum Standortauswahlverfahrensgesetz hat der Landtag Schleswig-Holstein mit großer Mehrheit der Aufnahme von weiteren CASTOR®-Behältern aus Sellafield (GB) zugestimmt. Dies wurde mit dem Gerichtsurteil hinfällig, die Castoren sollen nun ins SZL Brokdorf

Gleisanschluss:

Vorhanden

Adressen

 
Betreiber:

Kernkraftwerk Brunsbüttel GmbH & Co OH
Postfach 1227, 25535 Brunsbüttel

BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH
Frohnhauser Straße 67
45127 Essen
Tel.: 0201 2796-0
info@bgz.de, www.bgz.de

Behörden:

Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE)
Wegelystraße 8, 10623 Berlin
Tel.: 03018 767676 5000
info@base.bund.de, www.base.bund.de

Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur (MEKUN)
Mercatorstraße 3, 24106 Kiel
Tel.: 0431 988-0, Fax: 0431 988-7239
internetredaktion(at)mekun.landsh.de
www.schleswig-holstein.de

KritikerInnen:

Brokdorf akut, c/o Karsten Hinrichsen
Dorfstraße 15, 25576 Brokdorf
info(at)brokdorf-akut.de, www.brokdorf-akut.de

Anti-Atom-Initiative im Kreis Pinneberg
antiatompinneberg@googlemail.com,
www.anti-atom-initiative.de

Kieler Initiative gegen Atomanlagen
Friedenswerkstatt Kiel, Exerzierplatz 19, 24103 Kiel,
http://www.bi-kiel.blogspot.de/

Quellen

[1] Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Die LINKE und Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 18/8704: "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Standortauswahlgesetzes", Drucksache 18/8913, 22.06.2016

[2] base.bund.de: Zwischenlager Brunsbüttel (Schleswig-Holstein)

[3] Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen "Kernbrennstofffreiheit und Rückbau der im Jahr 2011 endgültig abgeschalteten Atomkrafterke und des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld", Drucksache 18/4887, 12.05.2015

[4] Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein: Anfechtung der Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Standortzwischenlager Brunsbüttel, Urteil 4 KS 3/08

[5] Bundesverwaltungsgericht Beschluss BVerwG 7 B 25.13

[6] Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe: „Wortprotokoll der 9. Sitzung (öffentlicher Teil)“ 02.02.2015, Äußerungen des Staatssekretärs Jochen Flasbarth (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit), S. 9

[7] Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume: Standortzwischenlager Brunsbüttel (SZB) für Transport- und Lagerbehälter der Bauart Castor V/52 auf dem Gelände der Kernkraftwerk Brunsbüttel (KKB) GmbH & Co ohG, Anordnung nach § 19 Abs, 3 AtG, 16.01.2015

[8] Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume: Standortzwischenlager Brunsbüttel (SZB) für Transport- und Lagerbehälter der Bauart Castor V/52 auf dem Gelände der Kernkraftwerk Brunsbüttel (KKB) GmbH & Co ohG, hier: Verlängerung der Anordnung vom 16.01.2015, 20.12.2017

[9] Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume: Standortzwischenlager Brunsbüttel (SZB) für Transport- und Lagerbehälter der Bauart Castor V52 auf dem Gelände der Kernkraftwerk Brunsbüttel (KKB) GmbH & Co ohG, hier:Erstreckung der Anordnung vom 16.01.2015, Az V 7 416.793 in der Fassung der Anordnung vom 20.12.2017, AzV 752 - 47389/2017 für weitere Transport- und Lagerbehälter der Bauart Castor V/52, 17.12.2018

[10] Kernkraftwerk Brunsbüttel: Minister Habeck stellt Prüfergebnisse zur Umlagerung von Brennelementen vor: "Es wäre ein Sicherheitsgewinn", 18.07.2016

[11] Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume: Standortzwischenlager Brunsbüttel (SZB) für Transport- und Lagerbehälter der Bauart Castor V/52 auf dem Gelände der Kernkraftwerk Brunsbüttel (KKB) GmbH & Co ohG, hier: Verlängerung der Anordnung vom 16.01.2015 in der Fassung der Bescheide vom 20.12.2017, 07.12.2018 und 03.04.2019, 17.01.2020

[12] base.bund.de: Zur atomrechtlichen Situation des Zwischenlagers Brunsbüttel abgerufen am 19.08.2021

[13] ndr.de: Großer Empfang für schwimmendes LNG-Terminal in Brunsbüttel, 20.01.2023

[14] Bauchmüller, Michael (SZ): Geopolitik trifft Atommüll, 14.06.2019

[15] base.bund.de: Anlagen zur Kernbrennstoffver- und -entsorgung in Deutschland: Meldepflichtige Ereignisse seit Inbetriebnahme

[16] base.bund.de: KarteZwischenlager, abgerufen am 19.08.2021