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Name der Anlage: | Wiederaufarbeitungsanlage WAA Wackersdorf |
Bundesland: | Bayern |
Ehemaliger Betreiber: | Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) |
Gesellschafter: | E.ON, RWE, EnbW, Vattenfall |
MitarbeiterInnen: | 0 |
Standortentscheidung: | 04.02.1985 Zuvor war die DWK bereits in Gorleben (Niedersachsen), Hambuch und Illerich (Rheinland-Pfalz) und Frankenberg-Wangershausen (Hessen) mit ihren Pläne für eine WAA am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. [1] Bereits 1981 erklärte der Bayerische Umweltminister Dick, eine WAA in Wackersdorf liege „im Bereich des Möglichen“. [2] Der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß (1955/56 Bundesminister für Atomfragen) befürwortete die Standortentscheidung. Er versprach der DWK, dass die industrie-erfahrenen Oberpfälzer wenig Widerstand leisten würden. Der Bevölkerung versprach er, die Anlage sei nicht gefährlicher als eine Fahrradspeichenfabrik. [3] |
Geplante Anlagen: | Wiederaufarbeitungsanlage, Verglasungsanlage, diverse Zwischenlager, MOX-Brennelementfabrik: Wiederaufarbeitung von max. 500 t Kernbrennstoff/a nach dem PUREX-Verfahren Produktion von Plutonium-Brennstoff für den Schnellen Brüter Produktion von MOX-Brennelementen für Leichtwasserreaktoren Fläche 138 ha, 200 m hoher Abluftkamin |
Baubeginn: | Dezember 1985: Beginn der Rodungsarbeiten im Taxöldener Forst |
Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde: | Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (StMUG) |
Genehmigungsverfahren: | 18.10.1982 Antrag der DWK nach § 7 zum Bau und Betrieb einer WAA am Standort Wackersdorf. September 1984: Landrat Schuirer weigert sich mit Berufung auf sein Remonstrationsrecht als kommunaler Wahlbeamter, den Bebauungsplan auszulegen. 10.09. – 18.11.1983: 53.000 Einwendungen gegen die 1. Teilerrichtungsgenehmigung (TEG) 24.09.1985: 1. atomrechtliche TEG mit sofortiger Vollziehbarkeit 29.10.1985: Erteilung der wasser- und baurechtlichen Genehmigung durch die Regierung der Oberpfalz (Selbsteintritt) 02.04.1987: Aufhebung der 1. TEG durch das VGH München . Die Pläne müssen neu ausgelegt werden. Die Arbeiten gehen jedoch weiter. 29.01.1988: Der VGH München erklärt den Bebauungsplan für nichtig u.a. weil das Hauptprozessgebäude wesentlich größer ausfallen sollte als bewilligt. Aufgrund von Einzelgenehmigungen wurde aber immer weiter gebaut 22.2.-22.4.1988: 881.000 Einwendungen, davon 453.000 aus Österreich Juli / August 1988: 23 Verhandlungstage des Erörterungstermins Es wird ein Protokoll einer Besprechung von TÜV Bayern und den Projektleitern der Gutachter-Arbeitsgemeinschaft für die WAA bekannt. Es waren acht "goldene Regeln" festgelegt worden, wie sich die TÜV-Gutachter bei Erörterungsterminen verhalten sollen: z.B. nicht der Behörde zu widersprechen oder anderen Gutachteraussagen nicht zu widersprechen, auch wenn sie falsch waren. [4] |
Rechtliche Entwicklungen: | 1985 Erste „Lex Wackersdorf": Ersatzlose Abschaffung der 1. gerichtliche Instanz bei Einsprüchen gegen technische Großprojekte im Bereich der Energieversorgung. Für die Oberpfälzer Kläger war nun nicht mehr das Verwaltungsgericht Regensburg zuständig. Die bisherige 2. Instanz, der Verwaltungsgerichtshof München, wurde zur 1. Instanz. [5] 23.07.1985 „Lex Schuirer“: Gesetz zur Änderung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes: Kommt eine staatliche Behörde einer schriftlichen Weisung der Aufsichtsbehörde nicht fristgerecht nach, so kann der Leiter der Aufsichtsbehörde an Stelle der angewiesenen Behörde handeln (Selbsteintritt). [6] 1988 Zweite „Lex Wackersdorf“: Änderung des Bayerischen Polizeigesetzes. Demonstranten können bis zu 14 Tage in Haft genommen werden. [7] |
Besondere Gefahren: | In einer WAA wird Plutonium produziert. Damit birgt sie die Gefahr der zivil-militärischen Nutzung und der Proliferation, also der Abzweigung von Plutonium für militärische Zwecke. Eine WAA ist bereits im Normalbetrieb mit großer radioaktiver Belastung über Abluft und Abwasser verbunden. Die WAA Wackersdorf wäre auf dem größten Grundwasservorkommen der Oberpfalz errichtet worden. [8] 1988 wurde ein Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag zu den Vorgängen im Genehmigungsverfahren eingesetzt: Einige Mitglieder stellten in ihrem abschließenden Minderheitenbericht u. a. fest, das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen sei „nicht als unabhängiger Sachwalter der Interessen der Bevölkerung Bayerns, sondern als Förderer und Helfer für die möglichst rasche Errichtung der WAA“ tätig geworden und habe zugunsten der ersten Teilerrichtungsgenehmigung „Messwerte für den Jodtransfer Boden-Weidebewuchs missachtet, welche die Genehmigungsfähigkeit infrage gestellt hätten. [9] |
Widerstand: | 07.10.1981: Gründung der Bürgerinitiative Schwandorf Die „Wackersdorf-Koalition“ war ein Protest aus der breiten gesellschaftlichen Mitte. Pfarrer und Mitglieder bürgerlicher Parteien waren vertreten, was den WAA-Befürwortern erschwerte, die Protestler zu diffamieren. [10] Dezember 1981: Erste Anti-WAA-Demonstration mit 3.000 TN in der Oberpfalzhalle August 1985 erste symbolische Platzbesetzung. Der friedliche Protest wurde mit Polizeigewalt geräumt. 12.10.1985: Großdemonstration in München mit 50.000 TN Im Weiteren eskalierte die Auseinandersetzungen. Am 31.03.1986 setzte die Polizei bei einer Demonstration mit 100.000 Teilnehmern das nach Genfer Konvention verbotene CS-Kampfgas gegen die Demonstranten ein. [11] Mai 1986: „Pfingstschlacht“ – Eskalation der Gewalt, Demonstrations-TN beschossen Polizei mit Steinen und Stahlkugeln, die Polizei warf aus Hubschraubern CS-Gas-Kartuschen in die Menge. [11] 16./17.06.1986: 5. Anti-WAA-Festival mit über 100.000 Besucher*innen („Deutsches Woodstock“). Nach den Vorfällen an Pfingsten solidarisierten sich u.a. Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, die Toten Hosen und Rio Reiser mit dem Widerstand. [11] 29.06.1986: Demonstrations-TN aus Österreich wurde die Einreise nach Bayern verweigert 1987: Erste Operballdemo in Wien gegen die WAA und den Besuch von Franz-Josef Strauß auf dem Opernball. 10.10.1987 Massive Einsatz der Berliner Einheit für besondere Lagen und einsatzbezogenes Training für Schlagzeilen. Die Polizisten gingen mit einer noch nie dagewesenen Brutalität auch auf friedliche Demonstranten los. Von „Knüppelorgien“ und „Hetzjagden gegen friedliche Demonstranten“ war die Rede. Zahlreiche Protestierer wurden dabei zum Teil schwer verletzt. Der Regensburger Polizeipräsident Wilhelm Fenzl, der zuvor mühsam versucht hatte, mit WAA-Gegnern ins Gespräch zu kommen, bat die Staatsanwaltschaft umgehend, Ermittlungen gegen die gewalttätigen Polizeibeamten aufzunehmen. [10] Drei Menschen starben. Am 02.03.1986 erlitt eine 61jährige Demonstrantin einen Herzinfarkt am Bauzaun. Ostern 1986 starb ein 38jähriger Asthmatiker infolge des Einsatzes von CS-Gas. Am 07.09.1986 kollidierte ein Hubschrauber der Polizei mit einem Triebwagen der Bahn und explodierte, einer der Polizisten starb. [12] |
Aufgabe des Projekts: | 03.04.1989: Vertrag des Energiekonzerns VEBA (heute E.ON) mit Cogema über die Wiederaufarbeitung bestrahlter Brennelemente in Frankreich 31.05.1989: Einstellung der Bauarbeiten |
Kosten: | Ca. 1,63 Mrd. Euro [10] |
Nachnutzung: | „Innovationspark Wackersdorf“: ca. 20 Firmen, u.a. BMW AG |
Quellen[2] Bund Naturschutz Bayern: David gegen Goliath: Der Widerstand gegen die WAA, abgerufen am 28.09.2020 [3] Bundeszentrale für politische Bildung: „Zu langwierig, zu teuer“, 06.06.2014 [4] Der Spiegel: Goldene Regeln, 18.07.1988 [5] Geschichte der WAA, abgerufen am 28.09.2020 [6] Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz, Art. 3b Selbsteintritt [7] Der Spiegel: Schlafende Hunde, 01.08.1988 [8] Bund Naturschutz Bayern: Atomare Risiken der WAA, abgerufen am 29.08.2020 [10] wikipedia: Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf, abgerufen am 29.09.2020 [11] zdf.de: Als der Kampf um Wackersdorf entschieden wurde, 31.05.2019 |
Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf

Schienenzufahrt zum Brennelemente-Eingangslager, heute wird das Gebäude von BMW genutzt, Foto: Ludwig Wasmus