Die Geschichte der Endlagerprojekte in Deutschland ist eine Geschichte von politischen und ökonomischen Interessen, die gegenüber Sicherheitsbedenken durchgesetzt wurden. Bei ASSE II und Morsleben wurden Warnungen von Fachleuten und aus der Bevölkerung ignoriert, um ihnen Jahrzehnte später, nachdem der Müll eingelagert worden war, doch Recht zu geben - zu spät. Mit Gorleben und Schacht KONRAD wird an Projekten festgehalten, die offensichtlich ungeeignet, gesellschaftlich nicht akzeptiert und hoffnungslos veraltet sind. Und bei der Wismut in Sachsen und Thüringen werden die Halden und Absetzbecken einfach als oberflächennahe, dauerhafte Abfalllager für radioaktiven Schrott und Bauschutt, der über den Freigabewerten kontaminiert ist, genutzt.
ASSE II
vom 04.04.1967 bis zum 31.12.1978 wurden 109.715 Gebinde mit schwachradioaktiven Abfällen und 1.293 Gebinde mit mittelradioaktiven Abfällen eingelagert. Dazu kommen 14.779 Gebinde mit mittelradioaktiven Abfällen, die in eine verlorene Betonabschirmung gepackt und deshalb offiziell als schwachradioaktiv deklariert wurden.
Inzwischen leugnet niemand mehr, dass eingetreten ist, wovor Fachleute bereits 1962 gewarnt haben. Die ASSE II droht einzustürzen und abzusaufen. Mitte der 90er Jahre begann die Verfüllung der Westflanke. Anfang 2010 stellten das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Strahlenschutz fest, dass der Optionenvergleich dazu geführt habe, dass die Rückholung des Atommülls aus der ASSE II die bessere Lösung sei.
Die Vorbereitungen zur Rückholung gestalten sich jedoch schleppend. Derzeit ist offiziell vom Beginn der Rückholung im Jahr 2033 die Rede. Ohne Beschleunigung bleibt zu befürchten, dass die ASSE II vorher einstürzt oder absäuft und doch geflutet wird, wie ursprünglich geplant. Die Folge wäre ein unkontrollierter Austritt der Radioaktivität in die Biosphäre.
ERA Morsleben
Von 1971 bis 1991 wurden 14.432 m³ schwach- und mittelradioaktive Abfälle sowie 6.617 Strahlenquellen aus DDR-Produktion eingelagert. Mit juristischen Schachzügen wurde 1990 aus dem DDR-Lager ein gesamtdeutsches Atommülllager ohne Planfeststellungsverfahren und ohne Langzeitsicherheitsnachweis. Vom 13.01.1994 bis zum 26.09.1998 lagerte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) weitere 22.321 m³ ein.
Auch Morsleben droht einzustürzen und abzusaufen. Trotzdem will das BfS nicht nur die "endgelagerten" sondern auch die illegal zwischengelagerten Strahlenquellen und das Radiumfass, die zusammen etwa die Hälfte des radioaktiven Inventars ausmachen, in Morsleben belassen und die Grube verschließen. Da die natürlichen Gegebenheiten wie Mächtigkeit, Stabilität, Trockenheit des Salzstockes für einen Langzeitsicherheitsnachweis nicht ausreichen, erklärte das BfS kurzerhand, den Atommüll mittels künstlich errichteter Bauwerke von der Biosphäre abschirmen zu wollen.
Die Planunterlagen des BfS wurden von der Entsorgungskommission geprüft und als nicht ausreichend bewertet. Die Pläne entsprächen nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik, die Sicherheitsberechnungen seien zu spekulativ und weder abdeckend noch ausreichend konservativ. Die geforderte Überarbeitung der Pläne – so das BfS – werde mindestens bis 2018 dauern.
Schacht KONRAD
Schacht KONRAD ist genehmigt für 303.000 m3 radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung ausschließlich für den nationalen Bedarf. Sowohl die Menge der einzelnen Radionuklide als auch von 94 wassergefährdenden Stoffen ist begrenzt. Längst ist klar, dass aufgrund dieser Begrenzungen höchstens die Hälfte der angefallenen und anfallenden Abfälle mit „geringer Wärmeentwicklung“ in Schacht KONRAD eingelagert werden könnten, sollte er tatsächlich in Betrieb gehen.
Von 1991 bis 1998 griffen Bundesumweltminister Töpfer und Bundesumweltministerin Angela Merkel mehrmals entscheidend per bundesaufsichtlicher Weisung in das KONRAD-Verfahren ein. 1999 beteuern sowohl Bundesumweltminister Trittin als auch Landesumweltminister Jüttner öffentlich, dass Schacht KONRAD nicht genehmigungsfähig sei. Trotzdem stoppten sie das Projekt nicht, sondern schoben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Im Konsensvertrag der rot-grünen Bundesregierung mit den Energiekonzernen am 14.06.2000 wurde die Genehmigung von Schacht KONRAD festgeschrieben.
Seit 2007 wird die alte Eisenerzgrube zum Atommülllager umgebaut. 2013 sollte sie in Betrieb gehen, inzwischen ist von 2027 die Rede. Es zeigt sich, dass es - wie vorhergesagt - aus vielen Gründen ein Fehler ist, ein altes Gewinnungsbergwerk als Atommülllager nutzen zu wollen. Inzwischen steht das veraltete Projekt, das in keiner Weise dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht, immer mehr in der öffentlichen Kritik.
Salzstock Gorleben
Gorleben ist der einzige Standort, der bisher für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle vorgesehen war. Von einem systematischen Auswahlverfahren, an dessen Ende eine wissenschaftlich fundierte Eignungsaussage zum Standort Gorleben führte, konnte keine Rede sein. Im Gegenteil, obwohl die weitere Erkundung des Salzstockes Gorleben ergab, dass es dort schwerwiegende geologische Störungen gibt, wurde an dem Projekt festgehalten.
35 Jahre gravierende politische Auseinandersetzungen prägen das Projekt Gorleben. Trotzdem gelang es bei der Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes im Juli 2013, das nach offizieller Lesart ein Neustart in der Endlagersuche sein sollte, nicht, Gorleben als potenziellen Standort auszuschließen.
Doch spätestens bei der Formulierung der Kriterien für den Suchprozess durch die Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfälle wurde deutlich, welch weitreichender Fehler es war, den Standort Gorleben nicht aufzugeben. Bei der Erstellung der angeblich wissenschaftlich objektiven Kriterien wurde die Hürde aufgestellt, dass keines dieser Kriterien zu einem automatischen Ausschluss des Salzstockes Gorleben führen dürfe. Damit wird jedoch die Monstranz der Ergebnisoffenheit, die die Kommission vor sich hertrug, genau in ihr Gegenteil verkehrt. Wenn kein Kriterium Gorleben ausschließen darf, so begünstigen die Kriterien letztendlich eine Standortentscheidung für Gorleben.
Zum Datenblatt Salzstock Gorleben
Wismut - Oberflächennahe Endlager in Sachsen und Thüringen
Die Vorgänge um die Sanierung der Wismut-Standorte zeigen exemplarisch, wie mit Atommüll umgegangen wird, sobald er zur historischen Altlast erklärt werden kann. Die Wismut mit ihren Standorten in Thüringen und Sachsen war über viele Jahre hinweg der drittgrößte Uranproduzent der Welt. Nicht nur, dass die strahlenden Halden und Absetzbecken heute - 23 Jahre nach Ende der DDR - noch nach Strahlenschutzrecht der DDR saniert werden, sie werden als oberflächennahe, dauerhafte Abfalllager für radioaktiven Schrott und Bauschutt aus den abgerissenen obertägigen Anlagen genutzt. Sie erfüllen damit die Funktion eines „Bundesendlagers“ ohne Planfeststellungsbeschluss, ohne formale Öffentlichkeitsbeteiligung, ohne Langzeitsicherheitsnachweis. Die Bundesregierung erklärt zu diesem Vorgehen in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Januar 2014: Da für die Sanierung der Wismut-Standorte das Strahlenschutzrecht der DDR weiter gelte „handelt es sich bei dem eingelagerten Schrott nicht um radioaktive Abfälle im Sinne des Atomgesetzes.“ (Deutscher Bundestag Drucksache 18/243)
Zu den Standorten der Wismut Sachsen sowie den beiden Standorten Ronneburg und Seelingstädt in Thüringen