Atommüll aus der Wiederaufarbeitung

Ab 2019/2020 sollen wieder Castor-Transporte durch Deutschland rollen. Die mittel- und hochradioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) sollen in den Zwischenlagern Brokdorf, Biblis, Philippsburg, Ohu/Isar und im Zwischenlager Ahaus gelagert werden.

Ab 2019/2020 sollen wieder Castor-Transporte durch Deutschland rollen. Die mittel- und hochradioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) sollen in den Zwischenlagern Brokdorf, Biblis, Philippsburg, Ohu/Isar und Zwischenlager Ahaus gelagert werden.

Neuverteilung nach Castor-Protesten in Gorleben

2011 rollte der letzte Castor-Transport aus Frankreich in das Zwischenlager Gorleben, begleitet von massiven Protesten und über 20.000 Polizisten. Kosten: mehr als 30 Mio. Euro. Nur acht Monate nach der Katastrophe von Fukushima war Gorleben wieder einmal zum Kulminationspunkt der Auseinandersetzung um die Nutzung der Atomenergie geworden. [1] Die Politik sah sich zum Handeln gezwungen, der Streit sollte befriedet werden. Im Zuge der Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes wurde 2013 auf Drängen der niedersächsischen Landesregierung das Atomgesetz geändert. Die noch anstehenden Castortransporte aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente im Ausland sollen künftig nicht mehr das TBL Gorleben sondern „standortnahe Zwischenlager“ als Ziel haben (AtG §9a Absatz 2a). [2]

Weitere zwei Jahre später, am 19. Juni 2015 veröffentlichte das Bundesumweltministerium ein „Gesamtkonzept zur Rückführung von verglasten radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung“. [3] Es brauchte noch ein halbes Jahr und das Zugeständnis, dass die bestrahlten Brennelemente des Forschungsreaktors FRM II in Garching nach Ahaus transportiert werden können, bis auch die bayerische Staatsregierung diesem Konzept zustimmte. [4]

Das Konzept des Bundesumweltministeriums sieht vor, verglaste mittelradioaktive Abfälle aus Frankreich im SZL Philippsburg und verglaste hochradioaktive Abfälle aus Großbritannien in den SZL Biblis, Isar/Ohu und Brokdorf jeweils in Castoren Typ HAW28M zu lagern. Gleichzeitig sieht es diverse Abstriche bei der Sicherheit, eine erhebliche Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und eine Aushebelung der Öffentlichkeitsbeteiligung vor. [3]

Zusätzlich wurde für das TBL Ahaus die Lagerung von hochdruckkompaktierten mittelradioaktiven Abfällen (CSD-C, Colis Standard de Déchets radioactifs Compactés) in Transport- und Lagerbehältern einer neuen Bauart aus der Wiederaufarbeitung in La Hague beantragt. [5]

Aushebelung der Öffentlichkeitsbeteiligung

Den politischen Vorgaben folgend hat das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) für das SZL Biblis [6] und das SZL Philippsburg [7] 2018 entschieden, dass von der Einlagerung der Castoren des Typs HAW28M keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen ausgehen würden, das Verfahren nicht UVP-pflichtig sei und damit auch keine Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden müsse. Für die Zwischenlager Brokdorf und Isar/Ohu sind gleichlautende Entscheidungen zu erwarten.

Eine sicherheitstechnisch und rechtlich zweifelhafte Entscheidung, da es in den Zwischenlagern keine Möglichkeit gibt, bei auftretenden Schäden Reparaturen an den Behältern vornehmen zu können: „Für die Behälter mit Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitung gibt es an den Standortzwischenlagern keine Möglichkeit für stichprobenartige Untersuchungen, Reparaturen des Primärdeckels oder den Austausch eines Behälters. Für die anderen Behälter wird sie mit dem Stilllegungsbeginn der Atomkraftwerke verschwinden.“ [8] Das Reparaturkonzept für die Castoren in den Zwischenlagern „sieht vor, beim Versagen einer Sekundärdeckeldichtung einen Austausch im Zwischenlager vorzunehmen und beim Versagen einer Primärdeckeldichtung einen Fügedeckel aufzuschweißen. Der aufgeschweißte Fügedeckel ist jedoch keine ausreichende Barriere bei Störfällen (z.B. Beschädigungen und Verschüttungen der Behälter durch aufprallende Bauteile, Wrackteile oder technische Einrichtungen, sowie Flugzeugabsturz). Deshalb sind deutlich umfangreichere Freisetzungen möglich als bei einem Störfall mit vorher intaktem Behälter. Außerdem ist nach Aufschweißen des Fügedeckels kein Zugang zur Sekundärdeckeldichtung und zum Behälterinnenraum mehr möglich, was bei einer Lagerzeit von vielen Jahrzehnten durchaus notwendig sein kann. Der Behältertyp CASTOR HAW 28M ist ohne intakte Primärdeckeldichtung nicht transportierbar.“ [8]

Wann rollen die Castoren?

Noch ist nicht genau klar, wann die Castoren tatsächlich rollen. Der Antrag für die Einlagerung der Wiederaufarbeitungsabfälle in das TBL Ahaus liegt bereits seit dem 20.09.2006 vor. „Derzeit erfolgt eine vollständige Überarbeitung des Behälterkonzepts für hochdruckkompaktierte radioaktive Abfälle („TGC27“). Dadurch verschiebt sich voraussichtlich der Zeitpunkt für den Beginn der Rückführung von Frankreich nach Deutschland auf 2025.“ [5]

Die Anträge zur Zwischenlagerung der Abfälle in den SZL Biblis, Brokdorf, Isar/Ohu und Philippsburg haben die Betreiber jeweils am 29.09.2017 beim BfE eingereicht. Für die Rücktransporte nach Philippsburg und nach Biblis liegen zudem seit dem 03.04.2018 Anträge auf eine Transportgenehmigung vor. Am 14.02.2020 hat die inzwischen in Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BaSE) umbenannte Genehmigungsbehörde die Aufbewahrungs- und Transportgenehmigung für das SZL Biblis erteilt. [9]

Der erste Transport aus Sellafield, der Anfang April 2020 in das SZL Biblis stattfinden sollte, wurde wegen der Corona-Pandemie verschoben. [10] Laut EnBW soll der Transport aus La Hague in das SZL Philippsburg eigentlich 2019 durchgeführt werden. [11] Die weiteren Transporte folgen später, der Transport in das SZL Brokdorf wurde vom Betreiber, der BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH, für 2023 / 2024 angekündigt. [12]

Quellen 

[1] www.taz.de: Castor so lang wie nie unterwegs, 28.11.2011

[2] Atomgesetz in der Fassung vom 28.08.2013

[3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Gesamtkonzept zur Rückführung von verglasten radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung, 19.06.2015

[4] „Gemeinsame Erklärung der Bayerischen Staatsregierung und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit als Grundlage für weitere Gespräche“, München 04.12.2015

[5] www.base.bund.de: Zentrales Zwischenlager Ahaus, abgerufen am 31.03.2020

[6] base.bund.de: Zwischenlager Biblis Weitere Schritte im Genehmigungsverfahren, 28.03.2018

[7] base.bund.de: Philippsburg Zwischenschritt abgeschlossen im Genehmigungsverfahren, 17.08.2018

[8] atommuellkonferenz.de: Positionspapier Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfaelle.pdf

[9] BaSE: Sicherheitsanforderungen für Rücktransport nach Biblis nachgewiesen, Pressemitteilung 14.02.2020

[10] Corona-Krise stoppt geplanten Castor-Transport nach Biblis, süddeutsche.de, 13.03.2020

[11] ndr.de: Castoren kommen 2023 auch nach Brokdorf, 09.05.2019

[12] EnBW: Transport von Abfällen aus der Wiederaufarbeitung in das Standort-Zwischenlager Philippsburg beantragt, Presseerklärung 03.04.2018