Anlage |
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Name der Anlage: | KWO – Kernkraftwerk Obrigheim |
Bundesland: | Baden-Württemberg |
Betreiber: | EnBW Kernkraft GmbH (EnKK) |
Gesellschafter: | Kernkraftwerk Obrigheim GmbH (100%ige Tochter der EnBW AG) |
Beschäftigte: | 140 Beschäftigte von EnBW plus 150 Beschäftigte von Fremdfirmen (Stand 2018) [1] |
Reaktortyp: | Druckwasserreaktor der 1. Generation |
Leistung, elektrisch: | 357 MW brutto, 340 MW netto |
Baubeginn: | 15.03.1965 |
Netzsynchronisation: | 29.10.1968 |
Inbetriebnahme: | Kommerzieller Leistungsbetrieb ab 31.03.1969. Es gab zwar 2 Teilbetriebsgenehmigungen, eine Dauerbetriebsgenehmigung war aber nicht erteilt worden. |
Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde: | Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (UM) |
Klagen: | 1987: Infolge von Recherchen der Grünen Landtagsfraktion wurde erst bekannt, dass die Dauerbetriebsgenehmigung fehlte. [2] Mai 1990: Der VGH Mannheim erklärte den Betrieb für illegal, der Reaktor wurde abgeschaltet. Juni 1991: Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte, dass die Dauerbetriebsgenehmigung fehle, der Reaktor könne aber auch 22 Jahre im Probebetrieb weiterbetrieben werden, dafür gäbe es keine Fristen. Im August 1991 ging das AKW wieder ans Netz August 1992: Der baden-württembergische Umweltminister Schäfer (SPD) erteilte die Dauerbetriebsgenehmigung März 1995: Der VGH Mannheim kassierte wegen fehlender Sicherheitsüberprüfungen die Dauerbetriebsgenehmigung. Das AKW lief weiter, erneut im Probebetrieb. [3] Der Rechtsstreit um die Frage, ob der Reaktor anders gebaut als genehmigt worden sei, zog sich zweimal durch die Instanzen, zwischenzeitlich lief das AKW wieder im Probebetrieb bzw. wurde abgeschaltet aber nie für lange Dauer. Letztlich wurde das AKW erst 2005 vom Netz genommen. [4] |
Besondere Gefahren: | Die Wand des Reaktordruckbehälters war 30 mm dünner als in der Errichtungsgenehmigung. Es wurden ungenehmigte Einbauten im Druckbehälter vorgenommen und die Leistung so weit erhöht, dass der Reaktordruckbehälter nach 8 Jahren bereits so verstrahlt war, wie eigentlich erst zum Leistungsende nach 40 Jahren zu erwarten war. [3] 1994 bis 1996: Ein Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag beschäftigte sich damit, dass der Reaktor in wesentlichen Teilen anders errichtet wurde als genehmigt und der Sprödbruchsicherheitsnachweis nicht ausreichend geführt wurde. Die Mehrheit von CDU und SPD verkündete, dass der Reaktor sicher sei und es keinen Grund für eine Abschaltung gäbe. [5] |
Meldepflichtige Ereignisse: | 268 (Stand 29.04.2024) [6] |
Stilllegung |
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Laufzeitverlängerung: | 23.01.2003: Übertragung von 5.499,89 GWh vom AKW Philippsburg 1 [7] Laut Atomkonsens hätte das AKW Obrigheim im Dezember 2002 abgeschaltet werden müssen. Bundesumweltminister Trittin (Grüne) genehmigte aber die Strommengenübertragung vom AKW Philippsburg. |
Abschaltung, endgültig: | 11.05.2005 |
Anträge: | Antrag zum Rückbau gestellt im Dezember 2004 |
Stilllegungsverfahren: | 21.12.2004: Antrag auf Stilllegungs- und 1. Abbaugenehmigung 28.08.2008: 1. Stilllegungs- und Abrissgenehmigung (SAG): Einstellung Leistungsbetrieb, Abbau von Anlagen im Überwachungsbereich. [8] 24.10.2011: 2. SAG inklusive Anordnung zum Sofortvollzug: Abbau von kontaminierten Anlagenteilen im Kontrollbereich (Reaktorkühlsystem, Dampferzeuger, Deckel des Reaktordruckbehälters u.v.m.) [9] Die Großkomponenten wurden durch die Fa. Babcock Noell/E.ON GmbH ausgebaut und per Schiff zur weiteren Behandlung zur EWN nach Lubmin gebracht. 30.04.2013: 3. SAG inklusive Anordnung des Sofortvollzugs: Abbau Reaktordruckbehälter, Abklingbecken, biologisches Schild, etc. [10] 14.05.2018: 4. Abbaugenehmigung, Abbau von Lüftungssystemen, Lastenaufzügen, Krananlage im Reaktorgebäude sowie Teile einer großen Materialschleuse. Der beantragte Abbau von Anlagenteilen im Zwischenlager für sonstige radioaktive Abfälle sowie von Anlagenteilen, die für den Betrieb dieses Zwischenlagers benötigt werden, wird nicht genehmigt. [11] |
Hauptkritikpunkte: | Kritik der Reaktorsicherheitskommission (RSK) an der 1. SAG: „Die detaillierte Beurteilung des Gesamtkonzeptes zu Stilllegung und Abbau des KWO ist auf Basis der vorliegenden Unterlagen aus Sicht der RSK nicht möglich, da über Abbaumaßnahmen, ihre vorgesehene Reihenfolge und über Abbaumethoden während des 2. Genehmigungsschrittes nur sehr allgemeine Aussagen vorliegen, die hinsichtlich Detaillierungsgrad nicht dem „Vorschlag für Anforderungen an die Stilllegung im kerntechnischen Regelwerk“ entsprechen.“ Weiterhin kritisiert die RSK, dass keine umfassende und detaillierte radiologische Charakterisierung der gesamten Anlage vorgenommen wurde, die laut RSK die Basis für das gesamte Stilllegungs- und Abbaukonzept einschließlich der Transport- und Lagerlogistik darstellt. [12] Wichtigste Forderungen der Anti-Atom-Initiativen:
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Informelle | 26.10.2011: Anstatt seinen Ermessensspielraum zu nutzen und für die 3. SAG eine juristisch verbindliche Bürgerbeteiligung durchzuführen, verkündete der baden-württembergische Umweltminister Untersteller, dass er sich „zu einer exemplarischen freiwilligen Bürgerbeteiligung entschlossen“ habe und führte am 24.07.2012 einen Informationstag durch. [13] |
Klage: | Januar 2012: Anwohner*innen reichten Klage gegen die 2. SAG ein. Grund dafür ist die nicht durchgeführte Öffentlichkeitsbeteiligung sowie sicherheitstechnische Defizite. [14] Am 30.10.2014 wies der VGH Mannheim die Klage in erster Instanz ab. [15] |
Rückbau: | Herbst 2008. Beginn des Rückbaus 2008 – 2012 Die Großkomponenten des Primärkreislaufs und die Dampferzeuger wurden per Schiff zur weiteren Behandlung zur EWN nach Lubmin gebracht. [16] August 2015: Transport des rund 135 Tonnen schweren Reaktordruckbehälters in den Zerlegebereich des Reaktorgebäudes. Die Zerlegung fand vorwiegend unter Wasser in rund 8 m Tiefe fernhantiert statt und wurde im Juli 2016 abgeschlossen. [17] Der Abbau des biologischen Schildes ist beendet, der Reaktor ist fast vollständig entkernt. [18] |
Dauer des Rückbaus: | Laut EnBW „Mitte der 2020er Jahre“ [18] Anschließend Nachnutzung von Gebäuden oder konventioneller Abriss |
Kosten des Rückbaus: | Stand Mai 2023 rechnet EnBW mit insgesamt 9 Mrd. Euro für den Rückbau aller fünf Reaktorblöcke (Obrigheim, GKN I und II, Philippsburg 1 und 2) [19] Öffentliche Förderung: Die EnBW erhält 402.500 Euro für das gemeinsam mit dem KIT Karlsruhe durchgeführte Forschungsprogramm „Abtrag kontaminierter Oberflächen (AKOF)“ – Steigerung der Arbeitsleistung der Standard-Betonfräse, inkl. Praxiserprobungen im Kernkraftwerk Obrigheim (Gesamtvolumen 1 Mio. Euro). [20] |
Beitrag zum Entsorgungsfonds: | 420 Mio. Euro Einzahlung zum 03. Juli 2017 abzüglich im Dezember 2017 ausgezahlte Rückforderung für Entsorgungskosten im ersten Halbjahr 2017: 334.000 Euro [21] |
Abfälle |
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Brennelemente: | Uran-Brennelemente, Hochabbrand-Uran-Brennelemente, ERU-Brennelemente und MOX-Brennelemente [22] Insgesamt sind 1.202 Brennelemente angefallen. [23] |
Abklingbecken: | Externes Nasslager im Notstandsgebäude 26.10.1998: Genehmigung nach §7 AtG, Inbetriebnahme 1999 22.04.2005: Beantragung eines externen Standortzwischenlagers. Während die Genehmigung anderer Standortzwischenlager maximal 4 Jahre dauerte, gab es zum SZL Obrigheim 2014, 9 Jahre nach Beantragung, keinerlei Genehmigungsfortschritte. [24] 10.12.2013: Antrag zur Einlagerung der Brennelemente aus Obrigheim im SZL Neckarwestheim beim BfS. Die grün-rote Landesregierung Baden-Württembergs begrüßte diesen Plan „uneingeschränkt“. Sie hielt dafür eine Änderungsgenehmigung nach §6 AtG mit Öffentlichkeitsbeteiligung für notwendig. [25] 09.08.2016: Genehmigung der Aufbewahrung der Brennelemente aus dem AKW Obrigheim im SZL Neckarwestheim. Die Genehmigung wurde vom BfS/BfE ohne Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt. [24] Im Laufe des Jahres 2017 wurden in insgesamt fünf Transporten auf dem Neckar 15 Castor-Behälter mit allen 342 Brennelementen aus dem AKW Obrigheim nach Neckarwestheim gebracht: [26] |
Rückbauabfälle - Massen: | Gesamt ca. 275.000 t. Weniger als 1 Prozent (2.300 t) werden als radioaktive Abfälle behandelt, darin sind auch die 700 t aus der Betriebszeit vorhandenen Abfälle enthalten. [27] In einem Pressegespräch am 02.02.2017 mit der Rhein-Neckar-Zeitung erklärte die Pressesprecherin der EnBW, dass das Reaktorgebäude abgerissen werden würde, da eine Nachnutzung aufgrund der Kontamination unwahrscheinlich sei. [28] |
Externes Zwischenlager: | |
Verbringung von Abfällen: |
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Transporte |
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zur Anlage: | Extern konditionierte radioaktive Abfälle |
von der Anlage: | Radioaktive Rohabfälle, konditionierte radioaktive Abfälle, freigemessene Materialien |
Gleisanschluss: | Nicht vorhanden |
Schiffanschluss: | Vorhanden |
Adressen | |
Betreiber: | EnBW Kernkraft GmbH, Kernkraftwerk Obrigheim |
Behörden: | Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg |
Kritiker*innen: | Initiative Atomerbe Obrigheim, c/o Gertrud Patan |
Quellen[1] AKW in Obrigheim soll 2025 verschwunden sein. Stuttgarter Nachrichten 18.04.2018 [2] „Sau im Dorf“ DER SPIEGEL 24/1989, 12.06.1989 [3] Die Skandal-Chronik des Atomkraftwerks Obrigheim. Die tageszeitung 06.02.1996 [4] Politik: Gericht weist Klage gegen ältestes deutsches Kernkraftwerk ab. Tagesspiegel 09.11.1999 [6] base.bund.de: Kernkraftwerke in Deutschland: Meldepflichtige Ereignisse seit Inbetriebnahme [13] Initiative AtomErbe Obrigheim: „Klage gegen 2 SAG eingereicht“ vom Januar 2012 [14] Urteil Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 30.10.2014 [16] Nuklearforum Schweiz: Deutschland: Meilenstein beim Rückbau in Obrigheim erreicht. 04.08.2016 [17] EnBW: Rückbau am Standort Obrigheim, abgerufen am 24.02.2024 [18] tagesschau.de: Abschaltung unumkehrbar, 23.05.2023 [20] Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung - Geschäftsbericht zum 31.12.2017 [23] base.bund.de: Standort Obrigheim, Stand 19.02.2020 [25] ausgestrahlt: Keine Castor-Transporte auf dem Neckar, abgerufen am 21.02.2022 [27] "Bauschutt des Kernkraftwerks Obrigheim: Die Faktenlage ist eindeutig", Rhein-Neckar-Zeitung, 02.02.2017 (abgerufen am 27.04.2017) [29] atomerbe-obrigheim.de: Atommüll-Schiffstransport von Obrigheim nach Lubmin [30] Greenpeace: „Tabelle Asse-Inventar“ [34] BBU Deponietabelle, Stand September 2019 [38] Krasnojarsk statt Gorleben, Süddeutsche Zeitung 27.02.2013 |