Zur Kategorisierung "in Betrieb": Nach offizieller Lesart befindet sich das tiefengeologische Lager ERA Morsleben im Status "in Stilllegung". Dies beinhaltet die Einstellung der Einlagerung, das Planfeststellungsverfahren zur Stilllegung, die Verfüllung der Grube, den Abbau der Infrastruktur und das Sich-selbst-Überlassen des Atommülls ohne Überwachung. Tatsächlich soll das Lager aber seine eigentliche Aufgabe, die Aufbewahrung des Atommülls, für alle Zeit erfüllen. Das heißt, beim bestimmungsgemäßen Betrieb wäre das ERA Morsleben im ewigen Dauerbetrieb. | |
Anlage |
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Name der Anlage: | Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben ERAM Früher: Schacht Bartensleben |
Bundesland: | Sachsen-Anhalt |
Betreiber: | Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) Betreiberwechsel zur Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE): Am 23.06.2016 beschloss der Deutsche Bundestag eine Umstrukturierung im Endlagerbereich. [1] Die Betreiberaufgaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), die ASSE GmbH und die Betreibertätigkeiten der Deutschen Gesellschaft für den Bau und Betrieb von Endlagern (DBE) wurden in der zu 100% staatlichen, neu zu gründenden Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mit Sitz in Peine (ehemaliger Sitz der DBE) zusammengeführt. Bundesamt für Strahlenschutz (BfS): 1990 übernahm das BfS den Betrieb des ERAM und lagerte bis 1998 radioaktive Abfälle aus ost- und westdeutschen Atomanlagen ein. In der DDR: Volkseigenes Kombinat „Kernkraftwerke Bruno Leuschner“. Einen Tag vor der Vereinigung von BRD und DDR wurde das ERAM in den Besitz des Staatlichen Amtes für Strahlenschutz (SAAS) überführt, um der Zuständigkeit des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) und damit der Bestandsgarantie zu unterliegen. [2] |
Eigentümer: | Bundesrepublik Deutschland (100%) |
MitarbeiterInnen am Standort Morsleben: | 154 [3] |
Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde: | Genehmigungsbehörde für den Planfeststellungsantrag auf Stilllegung: Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt (MULE). 2018 gab es eine Auseinandersetzung zwischen BGE, BfE und dem Bundesumweltministerium ob die BGE den Planfeststellungsantrag auf Stilllegung zurückziehen und neu einbringen soll. In diesem Fall würde das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BaSE) nicht nur Aufsichts- sondern auch Genehmigungsbehörde werden. [4] Übergang der Aufsicht auf das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BaSE): Am 23.06.2016 beschloss der Deutsche Bundestag eine Umstrukturierung im Endlagerbereich. Im Zuge der Überführung der Betreibertätigkeiten auf das BGE trat anstelle der Eigenaufsicht des BfS die Aufsicht durch das neu gegründete Bundesamt für die Kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), das am 01.01.2020 in BaSE umbenannt wurde. [1] Atomrechtliche Eigenaufsicht: Bis 2016 übte das BfS selbst die Aufsicht über den Betrieb und Änderungsgenehmigungen aus. Im Zuge dieser Eigenaufsicht genehmigte sich das BfS eine Ausweitung sowohl des Einlagerungsinventars von 26.571 m³, als auch der Einlagerungsbereiche. Bergrecht: Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt (LAGB), untersteht dem Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung Sachsen-Anhalt. DDR: Staatliches Amt für Strahlenschutz (SAAS) |
Genehmigung:
| 1971/72: erste Teilgenehmigung für die rückholbare Einlagerung von 500 m³ radioaktiver Abfälle aus dem überfüllten zentralen Zwischenlager der DDR in Lohmen bei Dresden. Diese Einlagerungen erfolgten aufgrund ökonomischer Abwägungen noch vor den Umbau-Maßnahmen des Salzbergwerks zum Endlager. 1974: Errichtungsgenehmigung, in den Folgejahren wurden kleinere Mengen radioaktiver Stoffe eingelagert, ohne Genehmigung zur Inbetriebnahme. 1978/79: Genehmigung zur Inbetriebnahme, offizieller Beginn des Versuchsbetriebs. 20.06.1981: Auf 5 Jahre befristete Dauerbetriebsgenehmigung. 22.04.1986: Unbefristete Dauerbetriebsgenehmigung; das Atomrecht der DDR schrieb dabei weder ein Stilllegungskonzept noch einen Langzeitsicherheitsnachweis vor. [5] |
Vornutzung: | Ab 1897: Beginn der Abteufung des Schachtes Marie zur Salzgewinnung, Schacht Marie und der später abgeteufte Schacht Bartensleben sind durch Stollen verbunden. 1934: Verpachtung eines Teils der Stollen des Schachtes Marie an das Rüstungswesen des Deutschen Reiches. Vom Februar 1944 bis April 1945 mussten Tausende KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter in 400 m Tiefe für den Krieg produzieren. 1958-1984: Masthähnchenzucht unter Tage, was zu zusätzlichem Flüssigkeitseintrag führte. 1969: Einstellung des Salzabbaus 1987 - 1996: Zwischenlagerung von Giftmüll, der später in die Sondermüll-Deponie Herfa Neurode umgelagert wurde. [5] |
Inbetriebnahme: | 1971/72: „Vorab“-Inbetriebnahme 1978/79: Inbetriebnahme |
Weiternutzung nach 1990 und Klagen: | 30.06.1990: Der Einigungsvertrag garantierte zehn Jahre "Bestandsschutz" für DDR-Altanlagen. Die Betriebsgenehmigung wurde dadurch automatisch bis zum 30.Juni 2000 verlängert. Per Gesetz wurde somit ein fiktiver Planfeststellungsbeschluss erteilt, ohne Öffentlichkeitsbeteiligung und ohne Langzeitsicherheitsnachweis. 20.02.1991: Untersagung des Einlagerungsbetriebes per einstweiliger Verfügung (später per Urteil) des Magdeburger Bezirksgerichts 25.06.1992: Aufhebung des Magdeburger Urteils durch das Bundesverwaltungsgericht [2] 10.07.1992: Erteilung der bis 30.06.2000 befristeten Betriebsgenehmigung durch Bundesumweltminister Töpfer 13.10.1992: Antrag des BfS auf Weiterbetrieb von Morsleben nach dem 30.06.2000 [6] 13.01.1994: Wiederaufnahme der Einlagerung 1995: Das Umweltministerium Sachsen-Anhalt stoppte die Einlagerung auf der 5a/Sohle wegen Sicherheitsbedenken. 1995 – 1998: Bundesumweltministerin Merkel erzwang mit mehreren bundesaufsichtlichen Weisungen die Forstsetzung des Einlagerungsbetriebs gegen die Entscheidungen der Magdeburger Genehmigungsbehörde. [7] 06.04.1998: Änderung des Atomgesetzes, Verlängerung der Betriebsgenehmigung für das ERAM bis zum 30.06.2005 [8] |
Kosten: | 1990 - 31.12.2013: 1,1 Mrd. € [9] Offenhaltungsbetrieb jährlich ca. 50 Mio. € [9] Stilllegung ohne Abbau der obertägigen Anlagen und ohne Ausgleichsmaßnahmen geschätzt 1,56 Mrd. € plus/minus 30 Prozent. [10] Einnahmen 1991 - 1998: rund 151 Mio. € [11] |
Besondere Gefahren: | Einsturzgefahr und Wasserzuflüsse: Schon 1969, also vor der ersten Genehmigung, waren Einsturzgefahr und Wasserzuflüsse bekannt. Das hinderte weder die Verantwortlichen in der DDR noch in der BRD an der Einlagerung von Atommüll. Am 10.04.1991 warnte ein Gutachter des BfS vor der weiteren Nutzung des Lagers, die Reaktorsicherheitskommission gab trotzdem eine positive Empfehlung ab. [2] 30.11.2001: “Löserfall” im Zentralteil der Grube, mehrere Tausend Tonnen Salzgestein stürzten von der Decke herab. Das BfS begann mit der Verfüllung von Grubenbauen im Zentralteil als Maßnahme zur Gefahrenabwehr, ohne Planfeststellungsbeschluss. Bis Februar 2011 wurden 29 Abbaue mit einem Hohlraumvolumen von 935.000 m3 verfüllt. [12] Fehlender Abschluss von der Biosphäre: Über dem Endlager fehlt ein geschlossenes Deckgebirge, die Anforderung an die Mächtigkeit des Hutgebirges wird nicht erfüllt. Das BfS will die unzureichenden geologischen Voraussetzungen - wie Grundwasserkontakt, Wasserwegsamkeiten, leicht zerfallender Anhydrit und ein fehlendes geschlossenes Deckgebirge - durch Baumaßnahmen ersetzen. Im ältesten Einlagerungsbereich (Nordfeld/Zentralteil) soll nur der Schachtabschluss als Abdichtung zur Biosphäre wirken. Damit werden radioaktive Isotope aus diesem Bereich schon in 7.500 Jahren freigesetzt. Die „Lebensdauer“ der Betonabdichtungen ist auf 45.000 Jahre angesetzt, danach wird ein weiterer Anstieg des Austritts von Radioaktivität erwartet. [13] Gasbildung: Im ERAM ist nach der Stilllegung mit erheblicher Gasbildung zu rechnen. Dafür sollen große Hohlräume freigehalten werden. Der entstehende Druck kann aber radioaktive Flüssigkeiten durch neue Spalten und Risse schneller als erwartet nach oben treiben. [14] ESK-Kritik an den BfS-Unterlagen: Angesichts der komplizierten geologischen Verhältnisse und der Vornutzung des Bergwerks Schacht Bartensleben - Schacht Marie bemängelte die Entsorgungskommission in ihrer Stellungnahme vom 31.03.2013 die mangelnde Faktenlage, die das BfS seinen Computersimulationen für den Langzeitsicherheitsnachweis zugrunde gelegt hat. [15] Fehlgeschlagene in-situ-Verfestigung: Während der Betriebszeit in der DDR sollten flüssige Abfälle bei der Einbringung in das Endlager erst unterirdisch verfestigt werden. Dies funktionierte jedoch nicht in gewünschtem Maße. Seitdem vagabundieren flüssige Abfälle durch das Bergwerk. [5] Verbleib nicht genehmigter Stoffe: Das BfS hat beantragt, ein Radiumfass, sowie die Strahlenquellen, deren dauerhafte Lagerung von der Genehmigung nicht abgedeckt ist, im Zuge der Stilllegung einfach in Morsleben zu belassen. Mit einer Rückholung würde die Einlagerungsaktivität halbiert. [13] |
Stilllegung |
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Stilllegungsverfahren: | 09.05.1997: Das BfS beschränkte seinen Planfeststellungsantrag nach § 57b AtG für das ERAM vom 13.10.1992 auf die Stilllegung des Lagers [6] 26.09.1998: Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg gab einem Eilantrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) statt und untersagt die weitere Einlagerung im Ostfeld von Morsleben, da dieses von der DDR-Betriebsgenehmigung nicht mit abgedeckt wurde. Das BfS müsse eine separate Genehmigung vom Umweltministerium Sachsen-Anhalt erhalten um hier weiter einzulagern. Die rot-grüne Bundesregierung verzichtete auf weitere rechtliche Schritte und gab das Ende des Einlagerungsbetriebs bekannt. [16] 2003 - 2011 Verfüllung von 24 Grubenbauen im Zentralteil mit 935.000 m³ Spezialbeton als Maßnahme zur Gefahrenabwehr, ohne Planfeststellungsbeschluss. [12] 22.04.2002: Atomgesetznovelle: Ausschluss der Einlagerung radioaktiver Abfälle in Morsleben. 21.10.-21.12.2009: Öffentliche Auslegung der Planunterlagen zur Stilllegung des ERAM; es wurden ca. 13.000 Einwendungen erhoben. 13.-25.10.2011: Erörterungstermin [17] und [18] Nach den Plänen des BfS wurde 2014/15 mit dem Planfeststellungsbeschluss zur Stilllegung gerechnet. Das MULE Sachsen-Anhalt forderte jedoch weitere Berechnungen und Unterlagen vom BfS an. Aktuell hat die BGE das Ziel, den Stilllegungsbeschluss Ende der 2020er Jahre zu erhalten. [19] Die Schließung soll laut BfS 15-20 Jahre dauern. [9] |
Abfälle |
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Gesamt 6.621 Strahlenquellen sowie 36.754 m³, davon 22.321 m³ seit 1994 Illegal zwischengelagerter Müll: In Morsleben wurden darüber hinaus radioaktive Abfälle zwischengelagert, deren dauerhafte Lagerung von der Genehmigung nicht abgedeckt gewesen ist. Es handelt sich dabei um Strahlenquellen im Versuchsfeld (7 Stahlzylinder mit Caesium- und Kobalt-Strahlenquellen sowie Europiumabfälle) und ein 280-l-Fass mit Radium-226, die etwa zwei Drittel der Aktivität in Morsleben ausmachen. Das BfS hat beantragt, diese Abfälle trotzdem in Morsleben eingelagert zu lassen. | |
Herkunft der Abfälle bis 1991: [22] | AKW Greifswald und Rheinsberg
Forschungseinrichtungen der DDR und sonstige Abfallverursacher
Zwischenlager Lohmen
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Atomkraftwerke
Forschungseinrichtungen
Firmen
Landessammelstellen
Sonstige
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Gleisanschluss: | Nicht vorhanden |
Adressen | |
Betreiber: | Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) |
Behörden: | Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie des Landes Sachsen-Anhalt Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) |
KritikerInnen: | Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V. BI Morsleben Projekt "Steine für Morsleben" |
Quellen[2] Bundesverwaltungsgericht 25.06.1992, 7 C 1.92 [3] einblicke.de: Was war und was ist - Daten und Fakten über das Endlager Morsleben, abgerufen am 11.12.2020 [4] Endlagerdialog.de: ERAM in der Sitzung des nationalen Begleitgremiums, 11.11.2017 [5] Falk Beyer: Die (DDR-)Geschichte des Atommüll-Endlagers Morsleben, Magdeburg, März 2004 [7] Atommüllreport: Übersicht über die atomaufsichtlichen Weisungen [12] archiv bge.de endlager-morsleben.de: Stabilisierung des Endlagers [14] endalgerdialog.de: Erörterung zur Stilllegung, 26.10.2011 [20] Bundesamt für Strahlenschutz: Endlager Morsleben - Endgelagerte radioaktive Abfälle, Stand 26.04.2015 |